1174 - Blut für Ludmilla
einen Schatz.
Als der Pope sah, mit welch einem Blick ich das Pendel betrachtete, fragte er: »Möchten Sie es haben?«
»Nein, behalten Sie es nur. Es kann für Sie noch sehr wichtig werden, denke ich mir. Der Stress ist leider noch nicht vorbei. Ich glaube, dass wir am Anfang stehen.«
»Ja«, erwiderte Radu nickend, »das befürchte ich auch. Der Allmächtige hat uns eine gewaltige Prüfung geschickt. Es ist nicht der Antichrist, der plötzlich erschien, aber es ist jemand, der es geschafft hat, die Menschen zu täuschen.« Er hob die Hände an, als wollte er den Herrgott um eine Erklärung anflehen. »Ich fasse es nicht. Ich weiß nicht, was mit den Menschen los ist, John. Da kommt jemand und behauptet, dass eine nicht verweste Person eine Heilige ist. Sie hätten die Menschen hier erleben sollen. Sie… sie… sind wie aufgeputscht. Sie glauben jetzt, ein zweites Wunder von Lourdes zu erleben. Sie sehen sich schon als Mittelpunkt. Sie riechen bereits das Geld, das alle die Gläubigen heranschleppen, um hier ihre Wallfahrten zu vollenden. Dabei übersehen sie, um was es wirklich geht. Um eben diese Prüfung.« Er atmete tief auf, schaute mich an und erwartete von mir eine Antwort, die ich ihm auch gab.
»Wir werden sehen«, sagte ich.
Seinem Gesicht sah ich an, dass er enttäuscht war. »Was meinen Sie damit?«
»Ganz einfach. Wir werden uns auf den Weg machen und Ludmilla Marek suchen.«
»Und wie soll das passieren?« flüsterte der Pope leicht staunend.
Ich deutete auf das Vampirpendel, das er noch immer in der rechten Hand hielt. »Genau damit…«
***
Ludmilla war außer sich und gierte nach Blut. Die neue Zeit und die neue Welt hatten sie mit offenen. Armen empfangen. Sie war befreit worden, und sie hatte auch die Sympathie der Menschen gespürt, die nicht gegen sie standen, sondern sie für etwas Besonderes hielten, was sie letztendlich auch war.
Die neue Zeit, die alten Probleme. Gier nach Blut, nach der Nahrung, die ihr ein Weiterleben ermöglichte. Davon ahnten die Menschen nichts, oder nur wenige, vielleicht auch nur einer, der sich in ihrer Nähe aufgehalten hatte. Für ihn war sie keine Heilige, sondern genau das Gegenteil, und damit hatte er Recht. Er hatte sie durchschaut, nur war es ihm nicht gelungen, dies den anderen beizubringen.
Die Befreier hatten sie an einen besonderen Ort gebracht. Für die Menschen war er etwas Besonderes gewesen, nicht aber für die Blutsaugerin. Eine Kapelle. Ein Ort, an dem die Mächte verehrt wurden, die sie hasste. Es war grauenhaft gewesen. Sie hatte darauf gewartet, dass die Menschen verschwanden und sie die Chance bekam, noch in der Dunkelheit zu fliehen. Zudem hatte sie sich zurückgehalten. Niemand wusste, wie hellwach sie war. Das sollten die Menschen hier im Ort später auf bestimmte Art und Weise erfahren.
Die Leute waren gegangen und hatten sie allein gelassen. Natürlich war ihr das entgegengekommen.
Und so konnte sie die verfluchte Stätte noch in der Dunkelheit verlassen, um ein anderes Versteck zu finden. Das Tageslicht würde kommen. Ludmilla wusste, wie tödlich Sonnenstrahlen für sie sein konnten. Das hatte sich auch im Laufe der Zeit nicht geändert. Vampire waren noch immer anfällig für Licht, und sie würden es auch bleiben.
Es war der Blutsaugerin gelungen, sich unbemerkt aus dem Staub zu machen. Zuerst war sie durch den Ort geirrt, hatte in Schuppen geschaut und auch in Häuser und dabei gespürt, dass die Dunkelheit der Nacht immer dünner wurde. Die Sonne war nicht zu sehen, aber sie befand sich bereits auf dem Weg. Bis zur Dämmerung wollte Ludmilla nicht warten. Da musste sie etwas gefunden haben, auch wenn es ihr noch nicht gelungen war, an das Blut eines Menschen heranzukommen.
Sie hatte Glück!
Etwas außerhalb des Dorfes fand sie eine Röhre, die tief in einen Hang hineinstach. Wozu sie angelegt worden war, konnte sie nicht wissen. Ludmilla war nur froh, dieses Versteck gefunden zu haben. Der runde Einstieg war durch hohes Gras und Buschwerk zugewuchert. Erst nachdem sie es zur Seite geschoben hatte, konnte sie in die stickige Finsternis hineinkriechen.
Es war jetzt ihre Welt. So tief wie es nur möglich war, glitt sie in die Röhre hinein und blieb an deren Ecke hocken. Zwischen all den Spinnen und dem Kleingetier, das sich hier ebenfalls einen Platz ausgesucht hatte. Es machte ihr nichts aus. Vampire ekeln sich vor so etwas nicht. Ludmilla war froh, sich ausruhen zu können. Wenn sie nach vorn schaute, war selbst
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