1174 - Blut für Ludmilla
Heilige…«
***
Besser hätte es für Ludmilla nicht laufen können. Sie lachte nicht nur innerlich, sondern auch nach außen hin. Die Menschen hatten ihre Ansichten noch immer nicht geändert. Nach wie vor hielten sie Ludmilla für eine Heilige, was ihr nur Recht sein konnte. Sie hatte überhaupt nichts dagegen.
Ludmilla sagte nichts. Sie kam näher und lächelte dabei. Die Hände des noch jungen Mannes rutschten an seinem nackten Körper hinab nach unten und bedeckten das Geschlecht. Es war die instinktive Geste. So hätte sich fast jeder Mensch in dieser Situation verhalten.
»Schämst du dich?«
»Ja…«
»Warum denn?«
»Du bist keine normale Frau. Du bist die Heilige. Bitte, ich will mich ankleiden. Dreh dich weg.«
»Nein, mein schöner Jüngling. Du brauchst dich nicht anzukleiden. Das ist nicht mehr nötig.«
Der junge Mann war völlig durcheinander. Nicht nur, dass ihn seine Blöße störte, er konnte sich auch nicht mit den Worten der Frau anfreunden. So reagierte keine normale Frau. Das war einfach unmöglich und unschicklich.
Ludmilla kam näher. Sie lächelte dabei, doch sie hatte die Lippen dabei geschlossen. Der Schwimmer wollte zurück. Er dachte sogar daran, zu fliehen, aber er kam nicht vom Fleck. Etwas an dieser Person störte ihn. Es mochte der Blick sein, der sich so verändert hatte. Er kam sich vor, als hinge er an einer Stahlkette, die ihn nie mehr loslassen würde. Die Augen der Frau kamen ihm größer vor.
Sie waren zu zwei kleinen, dunklen, öligen Teichen geworden, in denen sein Bewusstsein ertrinken sollte, und aus denen er sich nicht mehr lösen konnte.
Als sie stehen blieb, war es für eine Flucht zu spät. Da hatte sie ihn bereits berührt. Zuerst nur durch ein Streicheln auf beiden Schultern. Einen Moment später wurden die Griffe fest. Sie verwandelten sich in Klammern. Sie drückten durch die dünne Haut und pressten sich gegen die Knochen.
Er wusste, dass sie ihn hatte. Er würde nicht mehr von ihr loskommen. Er war ein Opfer. Er war nackt, und eine Person, die die Menschen als Heilige ansahen, war erschienen, um ihn zu verführen.
Das jedenfalls schoss durch seinen Kopf.
Wobei er nicht wusste, ob er mit dieser Vermutung richtig lag. Doch auf nichts anderes deutete die Situation hin.
»Du gehörst mir!«, flüsterte sie ihm zu. »Ja, du bist derjenige, den ich mir ausgesucht habe. Und du wirst mir das geben, was ich brauche.«
Er hatte alles gehört. Es war so einfach. Sie würde sich ihn nehmen. Sie war die Verführerin und nicht umgekehrt. Er war kein Kind von Traurigkeit und hatte sich schon so manches Mädchen aus der Umgebung geholt, aber mit dieser schönen Frau, die zudem…
Seine Gedanken brachen ab, denn vor ihm hatte die Heilige ihren Mund geöffnet.
Auch das war nichts Besonderes. Es gehörte zum Spiel, das zumeist mit einem Kuss begann.
Ihn störte nur der Geruch. Es war schon mehr ein Gestank, der ihm entgegendrang. Aus der Mundhöhle wehte er hervor, und dieser Gestank konnte nicht von dieser Welt sein. Er war so widerlich und auch undefinierbar, dass ihm übel wurde. Er hatte den Wunsch, sich übergeben zu müssen, aber das waren alles nur Gedanken, die er nicht mehr in die Tat umsetzen konnte.
Dass er plötzlich die beiden spitzen Zähne sah, kam ihm vor wie ein böser Traum. Aber auch wie eine Warnung, aber es war für ihn längst zu spät.
Ludmilla biss zu.
Sie tat es schnell, aber auch mit Genuss. Zu lange hatte sie auf diesen Augenblick warten müssen.
Und sie hatte nichts verlernt. Ihre Zahnspitzen durchbohrten die Haut, unter der die Ader getroffen wurde. Das Blut sprudelte daraus hervor und drang in den Mund der Untoten. Eisern hielt sie ihr Opfer fest und dachte daran, wie lange es her war, dass sie diesen Genuss hatte erleben können. Wie eine Klette klammerte sie sich an ihrem Opfer fest.
Der Mann machte erst gar nicht den Versuch, sich zu wehren. Er war durch den plötzlichen Angriff und den Biss regelrecht paralysiert worden. Und so blieb er ein Gefangener dieser Unperson. Etwas strömte aus seinem Körper hervor, das bekam er schon mit, aber er wusste nicht genau, was es war.
Erst als er kippte und auf den Boden fiel, wobei sich die andere Gestalt noch auf ihn drückte und ihn weiter leer saugte, da reagierte sein Denkvermögen.
Plötzlich schoss ihm der Begriff Vampir durch den Kopf. Genug hatte er darüber gehört, aber immer nur gelacht. Die alten Leute glaubten noch an Vampire, die jüngeren weniger. Dass es ein Irrtum
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