1174 - Blut für Ludmilla
der geschlossenen Tür der Kapelle stehen.
Von hier aus hatten wir einen sehr guten Blick in das Tal hinein und auch bis zum Ort hin, der ebenfalls still unter der Glutlast der Sonne lag.
Ich sah allerdings noch mehr. Gegenüber und nicht zu nah schimmerte eine grünliche Wasserfläche.
Wenn mich nicht alles täuschte, bewegten sich dort Menschen am Ufer.
Mein Begleiter hatte noch nichts gesehen, weil er zu sehr mit sich selbst beschäftigt war. Ich machte ihn auf den Teich aufmerksam, und er nickte.
»Das meinen Sie. Es ist unser Löschteich. Ein künstlich angelegtes Gewässer. So ein Ding hat jedes Dorf im Tal.«
»Sehen Sie auch die Menschen?«
»Ja.«
»Was tun die dort?«
»Keine Ahnung. Baden?«
»Möglich.«
Ich war nicht überzeugt, denn danach hatte mir die Szene nicht ausgesehen. Zumindest hatte ich keinen Menschen entdeckt, der sich im Wasser aufhielt.
Es sollte uns auch egal sein. Für uns war es wichtig, einen Blick in die Kapelle zu werfen. Die Tür stand für jeden Beter offen. Aber hier hatte man sie nicht geschlossen. Ich brauchte nur mit dem Ellbogen dagegen zu drücken, um sie so weit zu öffnen, dass wir die Kapelle betreten konnten. Beide mussten wir die Köpfe einziehen. Bereits nach dem ersten Schritt bestätigte sich mein ungutes Gefühl, das mich auf dem Weg hierher erfasst hatte.
Und nach dem zweiten Schritt sahen wir es beide.
»Mein Gott«, flüsterte Radu. »Das… das… ist ja furchtbar!«
Wir gingen nicht weiter. Die Kapelle war ein wirkliches Kleinod gewesen. Wobei sich an ihrem Äußeren nichts verändert hatte. Wohl aber hier im Innern. Jemand hatte sich regelrecht ausgetobt und seinem Hass freie Bahn gelassen.
Für mich kam nur Ludmilla Marek in Betracht. Sie war hierher geschafft worden, und sie hatte etwas getan, über das ich nur den Kopf schütteln konnte.
Die einzige Betbank war umgeworfen worden. Die Blutsaugerin hatte Bilder von den Wänden gerissen und zu Boden geschleudert. Ein Holzkreuz lag zersplittert auf dem schmalen Altar neben einer Blumenvase.
Neben mir schüttelte der Pope den Kopf. »Das ist sie gewesen«, flüsterte er mit kaum verständlicher Stimme. »Es gibt keine andere Möglichkeit. Jetzt haben wir den Beweis.«
Damit meinte er sicherlich den Sarg, der an der gegenüberliegenden Seite stand. Er war jetzt leer.
Und damit waren auch die Hoffnungen der Dorfbewohner verschwunden.
»Davon haben uns Ivo und Daniel nichts gesagt.«
Ich lachte leise. »Bewusst nicht, mein Lieber. Ganz bewusst nicht. Sie halten sich zurück, denn irgendwann müssen sie den anderen Menschen erklären, was hier abgelaufen ist. Kommen Sie, Radu, dieser Ort ist nicht mehr wichtig. Für uns gilt es jetzt, Ludmilla zu finden.«
»Warten Sie bitte.«
Radu holte das Vampirpendel hervor. Er hielt es in der Hand und wartete darauf, dass der ovale Stein mit dem Vampirgesicht darauf anfing zu schwingen.
Leider trat es nicht ein.
»Sie ist geflüchtet und hält sich nicht mehr hier in der Nähe auf. So ist es doch - oder?«
»Ja, davon können wir ausgehen.«
»Und wo?« Radu schaute mich fragend an.
Ich räusperte mich vor meiner Antwort. »Vampire haben die Angewohnheit, sich bei Tageslicht zu verstecken. Daran hat sich in den vergangenen Jahrhunderten nichts geändert. Also wird sie sich ein entsprechendes Versteck gesucht haben, in dem sie den besten Schutz findet. Ich kenne mich hier nicht aus, aber ich kann mir vorstellen, dass es für sie zahlreiche Verstecke gibt.«
»Ja, in den Wäldern der Umgebung. Dort existieren auch noch alte Höhlen.«
»Das braucht uns nicht zu kümmern, Radu. Ludmilla wird erst in der Dunkelheit erscheinen, um sich Blut zu holen. Da müssen wir dann wachsam sein.«
Der Pope runzelte die Stirn. »Ich gebe Ihnen Recht, John, aber glauben Sie denn, dass sie sich in den letzten beiden Tagen zurückgehalten hat?«
»Ich kann es mir nicht vorstellen.«
»Eben. Ich auch nicht. Ich glaube eher, dass sie sich bereits Opfer geholt hat.«
»Sie leben hier, Radu. Haben Sie etwas erfahren?«
»Nein, leider nicht. Oder zum Glück nicht. Ich hatte mich auch von den Menschen fern gehalten. Ich stand ja nicht eben auf ihrer Seite, wie Sie selbst wissen.«
»Okay, ich denke, dass wir hier nichts mehr zu suchen haben. Lassen Sie uns gehen.«
»Und wohin?«
»Zu den Menschen. Ich bin davon überzeugt, dass sie sich in der Nacht wieder auf den Weg macht.«
»Wobei ich mich frage, ob sie allein unterwegs ist.«
»Gut gedacht.«
»Was glauben
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