1181 - Baphomets Blutgeld
brüllte alle möglichen Schimpfworte, was ihm nichts half, denn ich drehte ihm den Arm so weit herum, dass es ihm wehtat, wenn er das Kreuz weiterhin hielt.
So musste er es loslassen. Es fiel in den Sand, und ich hob es rasch auf.
Leon hatte einen roten Kopf bekommen, das war trotz der Dunkelheit zu sehen. »Warum?«, schrie er mich an. »Warum hast du das gemacht? Du machst alles kaputt.«
»Beruhige dich, Leon«, redete ich auf ihn ein. »Es ist nicht so wie du es dir vorstellst.«
»Aber du hast mit dem Kreuz…«
»Was ich habe, spielt keine Rolle. Es gehört mir. Ich muss es einsetzen und kein Fremder.« Ich lächelte ihn an. »Vertraue mir, Leon. Es ist besser.«
Der Junge wusste nicht mehr, was er noch sagen wollte. Es war alles zu viel für ihn gewesen. Er reagierte jetzt so, wie man es von einem Jungen seines Alters erwartete. Er senkte den Kopf und begann zu weinen. Es tat ihm sicherlich gut, und ich ließ ihn in Ruhe, denn da gab es noch einen zweiten.
Joel drehte mir den Rücken zu. Trotzdem hatte er mich kommen gehört, denn als ich hinter ihm stehen blieb, sagte er: »Sie kommt. Ich spüre es. Die andere Zeit…«
»Und was geschieht dann, Joel? Kannst du das auch schon sagen?«
»Nein, nicht genau. Aber ich weiß, dass sie mich zurückholen wird.«
»Nur die Zeit?«
Er hob die Schultern. »Ich weiß nicht, ob es noch Überlebende gibt«, sagte er mit leiser Stimme.
»Ich weiß bald gar nichts mehr. Es ist alles so anders geworden.«
»Zwei sind verschwunden.«
»Wer?«
»Seeleute, denke ich, die überlebt haben. Sie waren plötzlich nicht mehr zu sehen.«
»Und wo sind sie hin?«
»Zurück in die Schleife.«
Joel nickte. Er gab sich sehr erwachsen in dieser Phase. Vielleicht war er das auch. »Ja, die letzten zwei. Sie werden mich holen wollen, glaube ich.«
»Wir könnten stärker sein.«
»Aber die Zeitschleife kann man nicht töten.«
Da hatte er leider Recht. Auch mein Kreuz wäre da keine Hilfe gewesen, und so musste ich zusammen mit Joel abwarten, was noch passierte.
In der Umgebung hatte sich nichts verändert. Noch immer sah ich den dunklen Himmel über mir.
Das Meer floss mit seiner unendlich breiten Zunge heran. Wind wehte gegen unsere Gesichter und spielte mit den Halmen der harten Grasbüschel.
Die Schleife war noch vorhanden. Sie schwebte über und neben uns. Ich spürte sie, wenn ich mit dem Kreuz Grenzen auslotete. Immer wieder huschte das helle Licht darüber hinweg, aber mein Kreuz schaffte es nicht, die Grenze zu vertreiben.
Ich wollte hier nicht stehen wie jemand, der prüft, aus welcher Richtung der Wind weht. Zu Joel sagte ich: »Jetzt zerstöre ich das verdammte Blutgold.«
Er gab mir keine Antwort. Wie verloren stand er auf dem Fleck, den Blick ins Leere gerichtet.
Auch Leon kümmerte sich nicht um mich. Er ging hin und her. Er suchte wahrscheinlich nach den Zeichen und Vorboten einer fernen Vergangenheit.
Es gab keine Hektik um uns herum. Trotzdem waren wir gespannt. Ich machte da keine Ausnahme, als ich mich bückte und mit trotzdem ruhiger Hand die Münzen einsammelte, die um den Toten herumlagen. In seinen Taschen steckte nichts mehr. Da hatte ich mich noch überzeugt. Mit den Händen schaufelte ich eine kleine Kuhle in den Sand und legte die Münzen so gut wie möglich aufeinander. Der Stapel musste halten. Die oberste wollte ich dann mit dem Kreuz kontaktieren. Dabei achtete ich darauf, dass die Gesichter nach oben lagen, und immer wieder schaute ich auf die widerliche Fratze.
Der kleine Stapel war zwar krumm geworden, aber er brach nicht zusammen. Das allein zählte.
Wieder zog ich das Kreuz hervor. Es hatte sich auch jetzt nicht erwärmt, aber die hellen Funken tanzten trotzdem über das Silbermetall hinweg.
»Sie schaffen es nicht!«, brüllte Leon plötzlich los. »Nein, nein, nein, sie schaffen es nicht!«
Das Geschrei störte mich. Leon war nicht mehr an seinem Platz geblieben. Er hatte dem Wasser den Rücken zugedreht und stampfte durch den Sand. Dabei regte er sich auf, schlug mit den Armen um sich und rief, dass er nie einen richtigen Freund gehabt hätte und sich den einen nicht wegnehmen lassen wollte.
Leon tat mir leid. Ich hätte ihm so gern geholfen und auch Joel. Ihn schaute ich an.
Er hatte alles gehört und schüttelte nur den Kopf. Dieser Junge wusste es besser.
Leon hatte wieder seinen Säbel aufgehoben. Auf dem jungen Gesicht malte sich eine finstere Entschlossenheit ab. Er wollte sich durch nichts von seinem Vorhaben
Weitere Kostenlose Bücher