1182 - Halloween Man
Armlänge weit. Alles war anders als am Tag, obwohl die Nacht noch nicht richtig eingebrochen war.
Der Bus stand mitten auf der Straße. Evans hatte die Warnblinkanlage eingeschaltet, und so erhielt der Nebel an gewissen Stellen einen blutroten Schimmer.
Evans ging dorthin, wo er die Gestalt gesehen hatte oder gesehen zu haben glaubte.
Sie war nicht da.
Evans hatte eine kleine Taschenlampe mitgenommen. Als er sie einschaltete, musste er lachen, weil sie einfach zu wenig Licht gab. Da konnte er machen, was er wollte, er bekam nichts zu sehen. Und wenn er einige Schritte nach vorn ging und sich vom Bus entfernte, bot sich ihm ständig das gleiche Bild.
Wallender Nebel. Kalter Dunst. Eine feuchte Fahrbahn, auf der Laub und auch kleinere Zweige lagen, die der Wind herbeigeweht hatte.
Er drehte sich wieder um.
Obwohl er nur wenige Schritte vom Bus weggegangen war, hatten sich dessen Konturen aufgelöst.
Die Innenbeleuchtung brannte, aber die Fahrgäste waren nicht zusehen, weil vor den Fenstern die Nebelschwaden hertrieben.
Ich bin nicht verrückt! Ich werde verrückt! Irgendetwas ist hier völlig anders geworden. Ich drehe noch durch. Ich sehe was, was es gar nicht gibt. Ich… Er schnappte nach Luft. Seine Gedanken stockten. Der Kopf fühlte sich leer und zugleich gefüllt an, und er ärgerte sich selbst über das Durcheinander.
Er war immer ein Mensch gewesen, der mit beiden Beinen auf dem Boden stand. Doch jetzt lagen die Dinge anders. Auch wenn er diese Grusel-Fahrten gemacht hatte, so glaubte er nicht an Geister, Gespenster oder irgendwelche Monster. Im Film ja, aber nicht in der Wirklichkeit. Das stimmte alles nicht.
Er ging langsam wieder zurück. Eine Schiebetür war geöffnet worden. Jemand wollte aussteigen.
Als Frank Evans das Bein sah, rief er nur: »Bleib im Wagen, es ist nichts.«
»Echt nicht?«
»Nein!«
Auch Evans stieg wieder ein. Sofort sah er Claudias Blick auf sich gerichtet. Die weiten Augen, in denen eine stumme Frage sich mit ihrer Angst mischte.
Er schüttelte den Kopf und zog die Tür zu.
»Nichts?«
»Nein.«
»Aber ich habe auch etwas gesehen.« Evans zuckte nur mit den Schultern. »War das vielleicht Mirco?« schrie jemand aus dem hinteren Teil des kleinen Busses.
Claudia drehte durch, als sie diese Frage hörte. Sie hatte sich lange beherrscht, doch jetzt konnte sie plötzlich nicht mehr. »Halt doch dein Maul! Es war nicht Mirco. Er kann es nicht gewesen sein, weil er… weil er…«, sie schluchzte, und sie brachte die weiteren Worte nicht mehr heraus.
»Schon gut. War nur ein Scherz.«
»Darauf verzichte ich.«
»Ruhig!« flüsterte ihr Frank Evans zu. »Bleib ganz ruhig. Du musst die Dinge anders sehen.«
»Und wie?«
Er beugte sich nach links. »Wenn wir oben in der Ruine sind, dann bleibe in meiner Nähe? Okay?«
Claudia sagte noch nichts. Sie schaute ihn intensiv an und nickte schließlich.
»Gut, dann geht es weiter.«
Wieder startete Frank Evans den Kleinbus. Er sah konzentriert aus, was er auch war, aber die Konzentration galt nicht nur einzig und allein der Straße. Da mischte auch seine Erinnerung mit, und er wusste ebenfalls, was er gesehen hatte.
Die Gestalt hatte auf der Straße gestanden. Er hatte sie sich nicht eingebildet. Das war auch kein Wesen, das der Nebel produziert hatte. Es war da gewesen. Es hatte sich aufgebaut, und es hatte ihnen die Weiterfahrt versperrt.
Damit musste er sich abfinden, auch wenn es ihm so verdammt schwer fiel. Zwar glaubte Frank noch immer nicht an irgendwelche Geister, doch er spürte deutlich, wie sich etwas bei ihm verändert hatte. Über sein rationales Denken hatte sich ein Schleier gelegt.
Er fuhr weiter.
Nichts war zu erkennen. Normalerweise gab es hier gewisse Fixpunkte, die als Orientierung dienten.
Das war jetzt nicht mehr der Fall. Der Nebel verschluckte einfach alles. Er hatte die Welt zu einem anderen Reich werden lassen, um in ihm die Geister und Gespenster aus einer anderen Welt aufsteigen zu lassen.
»Nein, nein, es gibt sie nicht!« zischte er.
»Was ist?«
»Nichts, Claudia, nichts. Ich habe nur laut nachgedacht.«
»Du glaubst auch daran, wie?«
»Was meinst du?« Klar, er wusste, was sie meinte, hatte aber trotzdem gefragt.
»An den Halloween Man.«
»Nein.«
»Aber es hat ihn gegeben.«
»Das ist lange her. Fünfzig Jahre.«
»Sind für Geister keine Zeit. Oder für Gestalten, die sich mit dem Teufel abgeben.«
»Glaub das doch nicht.«
»Doch, doch, das glaube ich. Ich weiß es
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