1182 - Halloween Man
Hier meldete sich mein Gefühl nicht. Dafür allerdings hörte ich die Stimme der Detektivin.
»John? He, John, wo steckst du?«
Ich drehte mich um. »Hier - auf einer Treppe. Es gibt einen Weg nach unten.«
»Okay, ich komme.«
Ich wartete auf Jane, die mich sehr bald gefunden hatte. Der Strahl ihrer Lampe tanzte mir entgegen und huschte auch über meinen Körper hinweg.
Sie war am Beginn der Treppe stehen geblieben. »Hast du was gefunden?«
»Nein, noch nicht. Du kannst oben bleiben und dich dort umschauen. Ich sehe mich mal am Ende der Treppe in diesem Verlies um.«
»Gut.« Sie hob die Schultern. »Gesehen habe ich auch nichts«, erklärte sie. »Es ist auch ziemlich dunkel. Außer dem stört der Nebel.«
»Pass beim Klettern auf.«
»Keine Sorge, mache ich.« Sie streckte einen Daumen hoch und zog sich wieder zurück.
Jane war voll in Action. Es hatte ihr - gefallen, die Passivität verlassen zu können, um endlich etwas zu tun. Ich hörte ihre Schritte verklingen und drehte mich wieder um.
Das Ende des Lichtstrahls meiner Lampe erreichte auch die letzte Stufe der Treppe. Dahinter breitete sich eine Höhle aus. Ob sie leer war, sah ich noch nicht.
Wenig später war es dann soweit. Da stand ich selbst vor der letzten Stufe und leuchtete hinein in ein längliches Verlies mit Wänden aus Stein und einer gewölbten Decke, die wie ein schwerer halbrunder Himmel über mir lag.
Mein Gefühl hatte mich nicht getrogen. Dieser Raum hier unten war zwar verlassen, aber man hatte ihn zugleich benutzt. Er glich tatsächlich einem Partykeller, der für das Halloween-Fest geschmückt war.
An den Wänden hingen Laternen mit Gesichtern und Fratzen. Da hatte sich ein Maler regelrecht austoben können. Ich sah Kürbisköpfe der unterschiedlichsten Größen auf dem Boden und um einen langen Holztisch herum verteilt stehen. Stühle flankierten die Seiten des Tisches. Unter der Decke baumelte in verschieden farbigen Buchstaben ein Willkommensgruß für einen besonderen Gast.
»Welcome Halloween Man«, las ich mit leiser Stimme.
Jemand wollte also eine Fete feiern und hatte schon einiges vorbereitet.
Okay, das war der erste flüchtige Eindruck, den ich von dieser Höhle erhalten hatte.
Der zweite war intensiver und verdammt grausam.
Der lange Tisch war nicht leer. Auf ihm zeichnete sich der Körper eines auf dem Rücken liegenden Menschen ab. Er bewegte sich nicht. Ich glaubte auch nicht daran, dass er schlief. In meiner Kehle wurde es eng, als ich auf den Tisch zuging. Ich wollte in die Nähe der männlichen Gestalt gelangen und es genau wissen.
Nur meine Lampe gab Licht. Der Schein huschte von unten her über den starren Körper hinweg und erreichte dessen Gesicht.
Dort sah ich es dann, und mir stockte der Atem.
Der junge Mann war tot!
Man hatte seine Kehle regelrecht zerstört…
***
Claudia Black schrie!
Es war die prompte Reaktion auf das eben Gesehene. Sie konnte einfach nicht anders. Sie musste ihrer Angst freien Lauf lassen, und der Schock saß verdammt tief.
Der Schrei hörte sich an wie der Laut einer schrillen Sirene, und er jagte durch den Bus, wobei er die gespannte und unnatürliche Stille zerriss. Er schreckte alle Fahrgäste auf, auch den Fahrer, der zwei Dinge zugleich tat.
Er bremste, und er verriss den Wagen dabei. Der Bus geriet leicht ins Schlingern, wurde aber wieder abgefangen, und so konnte ihn Frank schnell abbremsen.
Er hatte sich auf das Fahren konzentrieren müssen und deshalb nicht nach Claudia geschaut.
Das tat er jetzt.
Andere hatten sich von ihren Sitzen erhoben. Sie standen abwartend da. Selbst die blonde Kitty hielt den Mund und traute sich nicht, nach vorn durchzugehen.
Claudia schrie nicht mehr, sie jammerte nur noch. Aber ihren Kopf hielt sie nach wie vor gedreht, und der Blick war auf die Fensterscheibe neben ihr gerichtet.
Frank Evans sprach sie an. »He, was ist denn? Was gibt es für Probleme? Warum hast du…«
Sie schüttelte sich. Sie keuchte jetzt. Wahrscheinlich wollte sie auch sprechen, nur drang kein Wort mehr aus ihrem Mund. Sie brauchte Sekunden, um sich erholen zu können, und erst dann stieß sie die Worte überhastet hervor.
»Er war da!«
»Wer?«
»Er…«
Frank schüttelte den Kopf. »Bitte, Claudia, so kommen wir nicht weiter. Wer war da?«
Unendlich langsam bewegte sie den Kopf und drehte ihn nach rechts, um Evans anschauen zu können. Die Haut war durch den Schweiß nass geworden. Die Augen glichen starren Kugeln. Die Wangen zuckten, und
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