1182 - Halloween Man
eingetaucht. Noch war sie zu sehen und vor allen Dingen zu hören.
»Du Schwein!«, brüllte sie in den Dunst hinein und über den Burghof hinweg. »Du verdammtes Schwein! Du Hundesohn! Ich hasse dich! Du hast ihn umgebracht! Du hast Mirco gekillt.« Sie schnappte nach Luft. »Zeig dich endlich, verfluchter Bastard. Ich will dich sehen. Ich will, dass du herkommst. Los, verdammt!«
Ihre Stimme verklang. Sie hatte ihren Zweck erreicht. Die anderen Sechs waren noch blasser geworden, und auch Frank Evans sah ziemlich entsetzt aus.
Bei uns passierte nichts. Es blieb ruhig. Auch Claudia hatte sich wieder gefangen. Ihr Gesicht zuckte noch. Ich sah es, als sie sich zu uns umdrehte. Aus ihren Augen liefen Tränen, und sie zitterte am gesamten Körper.
Ich wollte sie ansprechen und vor allen Dingen zu Jane bringen, aber die Detektivin kam mir zuvor.
»Lass mal, John, das mache ich. Ich kümmere mich um sie. Es ist am besten, wenn ich sie in den Bus bringe und bei ihr bleibe.«
»Okay, tu das.«
Und dann hörten wir das Lachen!
Es war schrecklich. Es fegte wie ein Donnerhall über den Burghof hinweg und war trotz des Nebels so laut, als wollte es die Ruinen zum Einsturz bringen. Ein Mensch konnte kaum so lachen. Dieses Lachen schien mitten aus der Hölle zu stammen, aber wir wussten selbst, dass nicht der Teufel lachte, sondern eine seiner Figuren.
Der Halloween Man war also doch da!
***
Mir rann ein Schauer über den Rücken. Ich fühlte mich in dieser Lage wie auf dem Präsentierteller stehend.
Der Lacher konnte sich überall aufhalten, und jetzt war es seine Party und nicht die der jungen Leute. Er hatte durch seine verdammte Lache den Startschuss gegeben. Es gab keinen unter uns, den dieses Geräusch nicht getroffen hätte. Auch Jane Collins war nicht in der Lage, ein Wort zu sagen.
Das Echo des Lachens verhallte, und über den nebligen Burghof senkte sich wieder die Stille. Es war jetzt eine besondere Stille, die eigentlich von der kalten Angst diktiert wurde, die alle erfasst hatte.
Ich ließ Jane stehen und ging einige Schritte nach vorn. Neben Claudia hielt ich an. Dass sie auf den Beinen stand, grenzte schon an ein kleines Wunder. Sie drehte den Kopf, sie suchte nach dem Lacher, aber sie sah ihn nicht. Zu dicht war der Nebel und zu gut waren die Möglichkeiten, sich zu verstecken.
»Kommen Sie, Claudia.«
Ich hatte sie nur leicht berührt, und beinahe hätte ich dafür einen Schlag erhalten.
»Hau ab!«
»Sie müssen sich zusammenreißen. Ich will Ihnen nur helfen. Begreifen Sie das.«
Sie saugte die Luft ein. Dann sprach sie mit kratziger Stimme. »Ich gehe hier nicht weg! Ich will ihn sehen! Ich will den verdammten Killer zu Gesicht bekommen.«
»Darüber kann man ja reden, aber Sie sollten gewisse Regeln einhalten.«
»Lass mich das machen.« Jane war zu mir gekommen und mischte sich ein.
»Bitte.«
Ich trat zurück. Von Frau zu Frau ging das besser. Es war schon immer so gewesen.
Jane legte einen Arm um Claudia.
Sie hatte nichts dagegen. Dann sprach die Detektivin nahe ihres Ohres, und es dauerte nicht lange, bis Claudia nickte.
Wenig später setzten sich die beiden in Bewegung und stiegen in den Bus.
Zurück blieben sechs andere Fahrgäste und Frank Evans. Sie hatten sich zusammengedrängt und kamen mir vor wie eine Herde Schafe, die einen Platz vor dem Unwetter gesucht hatte.
Ihre Blicke waren auf mich gerichtet, als könnte ich Ihnen den Ratschlag geben, der sie aus dieser verzwickten Lage herausführte. Sie waren still geworden, und zwischen uns stand eine Mauer der Beklemmung.
»Dass sich der Mörder hier in der Nähe aufhält, dürfte jetzt jedem klar sein«, sagte ich. »Wir können uns darauf einstellen oder haben es sogar getan. Jedem von euch sollte mittlerweile klar geworden sein, dass wir uns nicht in einem dieser Teenie-Horrorfilme befinden, sondern in der verdammt rauen Wirklichkeit. Es hat einen Toten gegeben. Wir müssen dafür sorgen, dass es keinen zweiten gibt.«
Sie hatten zugehört, nickten, aber waren nicht in der Lage, eine Antwort zu geben. Bis auf die Blonde mit den geflochtenen Zöpfen.
»Das ist doch alles Scheiße!«, schrie sie keuchend. »Ich will Fun haben und keinen Killer.«
»Man kann es sich nicht aussuchen, Kitty«, erklärte der Fahrer und wandte sich an mich. »Was schlagen Sie vor, Mr. Sinclair?«
»Es ist noch immer am besten, wenn Sie alle von hier verschwinden. Fahren Sie weg.«
»Ja, wäre das Beste…«
»Aber…?«
Er blickte sich um.
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