1183 - Visionen der Hölle
kleinen Verschlüssen und Haken beschäftigten, um sie endlich aufzuzerren.
Ich wusste nicht, ob der Stoff gerissen war, jedenfalls schaffte es der Mann. Plötzlich hielt er die Korsage in die Hand, ging, einen Schritt zurück und konnte es kaum fassen. Er wusste auch nicht, wohin er zuerst schauen sollte. Auf das Kleidungsstück oder auf die Tänzerin, die inzwischen weitermachte.
Sie hatte sich wieder normal hingestellt und ihre Hände gegen die Brüste gedrückt. Um sie ganz umfassen zu können, hätte sie schon die Pranken eines Möbelpackers haben müssen. Viel Busen quoll hervor, und als sie sich bewegte, da rutschten die Hände nach unten.
Endlich lagen die Brüste frei!
Natürlich sah auch ich hin und bekam im ersten Augenblick große Augen.
So toll geformt hatte ich sie mir nicht vorgestellt. Schon beim ersten Hinsehen wusste ich, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen war. So perfekt saß kein Busen, den nur die Natur geschaffen hatte. Es gab viele Frauen, die ihr deshalb nachhalfen, und das war auch bei Doria der Fall gewesen.
Sie machte weiter. Jetzt langsamer. Manchmal drückte sie den Kopf und den Oberkörper so zurück, dass sie an die Pose der Marylin Monroe erinnerte. Und irgendwie glich das Gesicht dem längst verstorbenem Vamp, denn auch Marylin hatte diesen kindlichen Ausdruck zur Schau getragen und damit die Männer verrückt gemacht. Selbst der amerikanische Präsident war ihren Reizen erlegen.
Nackt war Doria nicht.
Sie trug noch den weißen knappen Slip, sie trug die Strümpfe und die roten Schuhe.
Und sie suchte sich einen neuen Gast aus.
Diesmal war ich an der Reihe.
Nach einer schnellen Drehung stand sie plötzlich starr vor mir. Gesicht und Körper lagen im Licht, während ich mich doch mehr im Halbdunkel hinter der Barriere aufhielt.
Sie schaute mich an.
Ich hielt dem Blick stand. Ich benahm mich nicht so wie die beiden anderen Gäste. Möglicherweise irritierte sie mein doch recht kühler Blick, denn sie schaffte es diesmal nicht, mir ein Lächeln zu schicken.
Trotzdem kam sie näher.
Nein, es war eigentlich kein richtiges Gehen. Sie schwebte fast über ihr glattes Podest hinweg. Ich beobachtete ihre roten Schuhe mit den Bleistiftabsätzen. In ihnen normal zu gehen, erforderte schon Übung. Damit zu tanzen war schon außergewöhnlich.
Kein Laut war zu hören. Ich hatte noch nicht herausgefunden, aus welch einem Material der Boden bestand. Er war zwar fest, aber aus Holz bestand er nicht. Das leichte Glänzen deutete auf Metall hin, doch auch das interessierte mich im Moment weniger, denn die Person selbst war wichtiger.
Sie musste noch zwei, drei kleine Schritte gehen, um den Rand der Bühne zu erreichen.
Ja, es war anders bei mir als bei den zwei älteren Gästen. Sie musste irgendwas spüren, aber sie sagte mir nichts und schaffte es endlich, breit zu lächeln.
Mit den Handflächen strich sie leicht über die Hüften hinweg, sie bewegte sich provozierend und lasziv. Sie schob immer wieder ihr Becken vor, tim anzudeuten, was der eigentliche Grund ihres Kommens war.
Auch die Tanzfläche hatte ein Ende, und so musste sie dann stehen bleiben.
Ich schaute hoch.
Sie blickte herab.
Wieder maßen wir uns mit Blicken. Zum ersten Mal stellte ich fest, dass sich der Ausdruck in ihren Augen veränderte. Beinahe hätte ich mich sogar über diese Kälte erschreckt, aber ich riss mich zusammen und nickte ihr leicht zu.
»Du bist neu hier, nicht?« sagte sie.
»Ja.«
Sie bewegte sich nur leicht in den Hüften. »Ich mag es, wenn neue Männer kommen und mir zusehen. Ich tanze gern, und ich ziehe mich gern aus.«
»Das habe ich gesehen.«
»Magst du mich?«
Ich wollte sie nicht kränken und sagte: »Du bist eine sehr schöne Frau, Doria.«
»Danke. Wie heißt du?«
»John.«
»Der Name gefällt mir.« Sie deutete an sich herab. »Da schau hin. Was willst du noch sehen?«
»Die Wahrheit!« sagte ich.
Mit dieser Antwort hatte Doria nicht gerechnet. Sie stand da und war nicht fähig, etwas zu sagen. Es hatte ihr die Stimme verschlagen. Die Zeit dehnte sich, und plötzlich hatte sie sich wieder gefangen und stellte mir die Frage, die sie leicht durch die Zähne zischte.
»Welche Wahrheit?«
»Die ganze.«
»Du siehst mich!«
»Ja, ich sehe dich. Aber ich glaube, noch mehr zu sehen. Wenn du verstehst.«
Sie verstand es möglicherweise, aber sie gab es nicht zu. Mit zwei Schritten zog sie sich wieder zurück, drehte dann den Kopf und schaute hinüber zu
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