1183 - Visionen der Hölle
in gewisser Hinsicht. Kein Hermaphrodit, denn sie besitzt nur die weiblichen Geschlechtsmerkmale und nicht gemischt. Aber sie hat etwas vor, bei dem sie sich nicht stören lassen will.«
»Hat Harding das auch gesehen?«
»Nein, Suko, ich glaube nicht. Er war durch die Szenen in den Spiegeln verunsichert. Wir werden sehen.«
Doria/Dorian kümmerte sich um nichts. Die Person schaute sich nicht um, sie ging zielstrebig ihren Weg, der uns in einen anderen Teil des Hauses führte, in dem der Plüsch von einem kahlen Gang abgelöst wurde.
Es gab eine Tür.
Vor ihr blieb die Person stehen. Diesmal schaute sie zurück, als wollte sie herausfinden, ob wir ihr auch folgten. Als sie uns sah, nickte sie zufrieden.
»Ich gehe jetzt zu ihm«, sagte sie.
»Wohin?«, fragte ich, obwohl ich mir die Antwort vorstellen konnte.
»Zu dem, der schon immer war«, erwiderte sie sehr ernst und drückte die Tür auf…
***
Wir hatten sie gehen lassen. Sie war kaum verschwunden, als wir vorgingen und wenig später die offene Tür erreichten und einen Blick in den neuen Raum werfen konnten.
Er war nicht groß. Es war eine Garderobe, doch in ihr war nichts mehr, wie es hätte sein müssen und sollen.
Zwei Männer lagen auf dem Boden. Ohne sie untersucht zu haben, wussten wir, dass sie nicht mehr lebten. Der eine sah schrecklich aus. Sein Kopf war regelrecht zerrissen worden, und der Rest hatte sich um seinen Körper herum verteilt.
Wir kannten den Mann nicht, dafür allerdings den zweiten. Es war Ray, der hier so etwas wie den Hausmeister gespielt hatte. Er lag auf dem Rücken. Sein Kopf war nicht zerstört worden, dafür zeigte er - das Gesicht eingeschlossen - eine schwarzgraue verbrannte Farbe. Er lag da wie hingegossen.
Mit dem Kopf zur Tür, die Beine leicht angewinkelt, ebenso wie die Arme.
Doria blieb zwischen den beiden Toten stehen. Sie drehte uns den Rücken zu, als sie sprach. In ihren Worten klang die Verachtung mit durch, die sie für die beiden empfand, wobei ich der Ansicht war, dass sie damit auch die übrige Welt meinte.
»Sie waren Abfall. Sie haben in mir eine Person gesehen, die ohne Wert gewesen ist. Die beiden dachten, sich alles erlauben zu können, aber sie irrten sich. Oft sind die Bilder nicht nur Bilder, dann werden sie wahr, und das haben die beiden nicht glauben wollen. Sie dachten, ich wäre Freiwild…«
Ein scharfes Lachen fegte aus ihrem Mund. »Sie haben sich geirrt.«
Ich hatte die Person reden lassen, denn mein Interesse galt etwas ganz anderem.
Dieser ovale, in eine Kommode integrierte Spiegel aus früherer Zeit nahm mich irgendwie gefangen. Ohne ihn näher untersucht zu haben, wusste ich, dass wir etwas Besonderes vor uns hatten, und auch Doria/Dorian konzentrierte sich auf ihn.
Es war ihr Mittelpunkt. Sie hob die Arme an, um sie dann nach vorn zu strecken. In dieser bittenden Haltung, die dem Spiegel galt oder der Macht, die in ihm steckte, blieb sie stehen.
»Sie fühlt sich verdammt sicher«, raunte Suko mir zu.
»Das kann sie wohl auch.«
Ich sah, dass er seine Dämonenpeitsche gezogen hatte, den Kreis schlug, und die Peitsche schlagbereit wieder in den Gürtel klemmte. »Lassen wir sie?«
»Und ob. Ich will doch erleben, wie dankbar sie ihm ist, für den es so viele Namen gibt.«
Damit war auch Suko voll und ganz einverstanden. Beide waren wir darauf gefasst, die Hölle zu erleben, und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Doria/Dorian hatte jetzt an Sicherheit gewonnen. Ohne sich um uns zu kümmern, ging sie/er nach rechts. Die Person hob einen umgekippten Stuhl auf und stellte ihn in Sitzweite vor den Spiegel hin.
Mit einer gelassenen Bewegung nahm sie Platz.
Dieser Spiegel war das Wichtigste überhaupt. Zusammen mit der Kommode war er ein prächtiges Einzelstück, aber zugleich auch der Zugang in eine andere Welt. Vielleicht hatte die Person sogar vor, durch den Spiegel in eine andere Dimension zu verschwinden. Ausschließen konnten wir nichts, aber wir würden auch verdammt auf der Hut sein.
Es war eine gefährliche Umgebung. Die beiden Männer hatten es vor ihrem Tod zu spüren bekommen. Doria kümmerte sich nicht darum. Sie saß da und schien gewachsen zu sein. Nein, körperlich war sie nicht größer geworden. Sie zeigte eine innere Größe, und sie veränderte auch ihre Haltung.
Steif und dennoch locker saß sie da und schaute in den Spiegel hinein, der ihr eigenes Bild wiedergab. Da reagierte er wie ein normaler Spiegel.
Suko und ich standen im Hintergrund. Sie sah
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