1183 - Visionen der Hölle
uns bestimmt, aber sie reagierte nicht darauf. Für Doria waren wir einfach nicht vorhanden. Sie lächelte auf eine Art und Weise, als bewegten sich besonders schöne Gedanken in ihrem Kopf.
Urplötzlich begann sie zu sprechen. Sie sprach nicht laut, aber auch nicht leise. Sie setzte auf die Zwischentöne, und wir verstanden sie sehr gut.
»Die Zeit des Wartens ist vorbei. Ich wollte immer zu dir. Ich war im Werden, und jetzt bin ich geworden. Du hast mir deine Hilfe zukommen lassen, und nun bin ich geworden. Die Zeit der Mühen und Irrwege ist vorbei. Ich wusste es. Ich bin geworden, und ich werde es auch bleiben. Der Weg ist das Ziel. Ich bin ihn gegangen, und ich werde auch weiterhin auf ihm bleiben, das kann ich dir versprechen.«
Doria hatte mit jemand geredet, den wir nicht sahen. Es war auch nicht sicher, ob sie das andere Wesen wahrnahm. Wenn, dann musste sie ihn spüren, was meines Erachtens für sie auch nicht eben Spitze war. Ich zumindest hätte meinen Herrn und Meister gern Auge und Auge gegenübergestanden.
Suko dachte ähnlich wie ich. »Was meinst du?«, fragte er leise. »Wird er sich zeigen?«
»Das hoffe ich.«
»Asmodis?«
Ich hob die Schultern. »Mittlerweile habe ich einen anderen Verdacht«, erklärte ich leise. »Es könnte Luzifer selbst sich eingemischt haben, wie auch immer.«
»Was macht dich so sicher?«
»Sicher bin ich nicht. Es geht um die Verwandlung von der Frau weg und hin zum Mann. Obwohl sie ja beides nicht ist. Oder er nicht ist. Ein Zwitter.«
»Akzeptiert. Aber was hat Luzifer damit zu tun?«
»Wenn man den Begriff Zwitter großzügig auslegt, könnte da eine andere Gestalt entstanden sein. Eine, die uns schon verdammt viel Ärger eingebracht hat.«
»Die Kreatur der Finsternis?«
»Genau die, Suko.«
Ich hörte ihn scharf atmen.
»Sie war im Werden«, fuhr ich fort. »Und jetzt ist sie geworden. Das andere hat sich über sie geschoben. Die zweite Gestalt, die hatte verborgen bleiben sollen…«
»Da passiert was!«
Sukos scharf geflüsterter Satz hatte mich unterbrochen, und so konzentrierte ich mich wieder auf den Spiegel, dessen Fläche dabei war, sich zu verändern. Er wurde milchig, ohne dass sich dabei das Gesicht völlig auflöste. Es schimmerte weiterhin durch, aber es war dabei noch etwas zu sehen.
Nicht sofort. Es schob sich nur allmählich von hinten nach vorn. Es kam aus der Tiefe, und es war kein Gesicht, sondern es waren zwei Dinge, die einfach dazugehörten.
Ein Augenpaar!
Nicht normal von der Farbe. Auch nicht blutrot, wie es möglicherweise gepasst hätte, nein, dieses Augenpaar hatte eine ganz besondere Farbe.
Sie war kalt. Verschwommen in der grauen Spiegelfläche, und trotzdem irgendwie klar.
»Blau?«, flüsterte Suko.
Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn du es so siehst, dann muss es stimmen. Da gibt es dann nur eine Lösung.«
»Ja, ich weiß. Luzifer!«
Wir waren fasziniert. Okay, ich hatte schon daran gedacht, dass ähnliche Dinge passieren konnten.
Aber dass sich Luzifer persönlich einmischte, war doch außergewöhnlich. Er musste sich diesem Zwitter stark verbunden fühlen.
Die Augen des absoluten Herrschers des Bösen, der zugleich das Böse war, zeigten sich nicht in der Klarheit wie wir sie schon erlebt hatten.
Die Fläche des Spiegels hatte sie verschwimmen lassen. Aber sie waren vorhanden, wir bildeten uns das nicht ein, und auch Doria reagierte entsprechend.
Sie oder auch er beugte sich vor. Mit beiden Händen umfasste sie den Rand des Spiegels. Ihr Gesicht brachte sie in die unmittelbare Nähe der Fläche.
Ich fühlte nach dem Kreuz. Es hatte sich nur leicht erwärmt. Kaum wahrnehmbar, und die Wärme verteilte sich mehr auf meinen Fingerkuppen.
Wir warteten noch immer darauf, dass Luzifer etwas unternehmen würde. Wie mächtig er war, wussten wir beide, aber er hielt sich zurück. Seine Gestalt verließ die Spiegelfläche nicht. Dafür bewegten sich die Augen. Sie zuckten, sie intensivierten ihren Blick, was eigentlich kaum möglich war. Sie waren einfach da. Sie waren so schrecklich präsent. Aber sie versuchten nicht, uns anzugreifen. Die Augen blieben im Spiegel und auf Doria gerichtet.
Beide redeten miteinander. Es war eine besondere Kommunikation. Wir bekamen von der einen Seite nichts mit. Nur Doria konnte es bei den Gedanken nicht belassen. Sie musste ihre Antworten in Worte fassen, die intervallweise aus ihrem Mund drangen, wobei es sich immer nur um das gleiche Wort handelte.
»Ja… ja… ja…«
Die
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