1186 - Der Henker vom Hamburg Dungeon
worden.
Wahrscheinlich erfuhren die normalen Besucher hier etwas über die Schrecken der Geschichte innerhalb der Hansestadt.
Beide schauten wir uns in dem mit Büchern gefüllten Raum um. Es gab nur einen Ausgang, eine geschlossene Tür. Unter ihr sahen wir das rötliche Flackern hervordringen.
»Dorthin«, sagte Uwe Knudsen. »Da leuchtet das Feuer von Hamburg. Die brennende Stadt.«
Er ging vor und drückte die Tür auf. Eine andere Szenerie, eine andere Kulisse.
In den ersten Sekunden waren wir etwas irritiert, denn durch den flackernden Feuerschein war es uns nicht möglich, sofort einen ersten Eindruck zu erhalten.
Die Umgebung schien sich zu bewegen. Wir sahen im Hintergrund die Dächer der hohen Häuser.
Wir sahen auch Ruinen, zwischen denen die langen Zungen der gelbroten Flammen tanzten.
Und wir hörten die Schreie. Die von Männern, Frauen und Kindern bildeten ein akustisches Chaos, das unsere Ohren malträtierte. Die Luft hatte sich verändert. Es stank nach Rauch, der sich wie Nebel durch die Gassen der alten Stadt wälzte und manchmal als gnädige Tücher die Flammen verbarg.
Knudsen war in der Mitte des Raumes stehen geblieben. Er nickte mir zu. »Hier ist Ihr Kollege Craig Farell geköpft worden.«
Ich hatte nicht mehr daran gedacht. Jetzt kehrte die Erinnerung zurück. Ich gestand mir selbst zu, dass ich nicht eben begeistert davon war. Unwillkürlich senkte ich den Blick, um nach Blutspuren zu suchen, die noch auf dem Boden liegen konnten, aber bei diesen Lichtverhältnissen war nichts zu erkennen.
»Was denken Sie, John?«
»Dass wir noch leben. Und dass es auch hoffentlich so bleiben wird.«
»Sie glauben an den Schatten?«
»Sie nicht?«
Uwe Knudsen zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Tut mir leid. Ich… ich bin Realist. Das muss ich in meinem Job sein. Sie, John, haben eine andere Denkweise, auch das muss sein, aber bei mir sind die Grenzen einfach gesteckt, und daran wird sich so bald auch nichts ändern.«
»Aber es gab drei Tote.«
»Klar. Die lassen sich auch nicht wegdiskutieren. Nur bin ich skeptisch, was den Mörder angeht. Oder können Sie sich mit einem mordenden Schatten anfreunden?«
»Nur schwer, aber es geht.«
Um uns herum passierte nichts, was die Lage großartig verändert hätte. Wir erhielten auch keinen Besuch von irgendwelchen Schauspielern, die geschminkt durch die brennende Stadt liefen. Keiner, der uns anfasste und erst recht kein mordender Schatten.
Dafür nahm der Rauch an Dichte zu. Er kam von allen Seiten. Die dünnen Fahnen hüllten uns rasch ein, und wir nahmen auch diesen fast schon echten Geruch wahr, wenn auch nicht so intensiv, als hätten wir in der Nähe eines echten Feuers gestanden.
»Hier ist nichts«, sagte mein Kollege aus Hamburg. »Zumindest sehe ich nichts.«
Die Schatten konnte er nicht gemeint haben, denn die waren vorhanden. Das Feuer war stark genug, um einen Widerschein entstehen zu lassen. So wechselten sich Schatten und Helligkeit in einem zuckenden Tanz ab, und es gab auch keine Schatten, der irgendwie still gestanden hätte. Der Tanz war immer da, aber nie vorauszuberechnen. Ein ewiges Hin und Her, unterlegt mit leisen Schreien und auch dem hellen und hektischen Klang einer Feuerglocke.
Knudsen trat dicht an mich heran.
»Ich denke, hier sind wir falsch, John.«
»Das befürchte ich auch.«
»Was tun wir?«
Ich hatte ihn nicht ganz begriffen. »Wie meinen Sie das?«
»Ganz einfach. Ich habe schon überlegt, ob wir uns trennen und einzeln die verschiedenen Bilder untersuchen. Wäre das in Ihrem Sinne?«
»Es könnte gefährlich sein. Man hört keine Schatten, und man sieht sie erst im letzten Moment. Daran sollten Sie immer denken. Ich finde, dass es besser ist, wenn wir zu zweit den Weg gehen.«
»Wie Sie meinen.« Knudsen wedelte mit der Hand, um sich eine bessere Sicht zu verschaffen. Dann ließ er mich stehen. Er suchte nach Türen, denn es musste irgendwo weitergehen.
Es ging auch weiter. »He, John, kommen Sie!«, rief er und winkte mit dem rechten Arm. Danach verschwand er in einer Nische, deren Ende eine offene Tür bildete.
Als ich die Tür erreichte, war er schon vorgegangen. Mir fiel auf, dass er sich nicht mehr normal bewegte, sondern bei jedem Schritt leicht schwankte.
Nach dem ersten Schritt erfuhr ich den Grund. Der Weg war nicht normal, er war weich, sodass wir schon leicht mit dem Gleichgewicht zu kämpfen hatten und uns erst nach einigen Metern an die neue
Weitere Kostenlose Bücher