1186 - Der Henker vom Hamburg Dungeon
entschieden, das er fast zur Hälfte füllte.
Er umklammerte es mit der rechten Hand und schüttelte den Kopf. »Scheiß egal, wovon mir schlecht wird. Ich brauche das einfach. Besoffen stirbt es sich leichter.«
Er lachte über seinen eigenen Spruch. Dann hob er das Glas an, führte es zum Mund und merkte, dass seine Hand noch immer zitterte. Er schloss die Augen und kippte einen Teil des Whiskys in die Kehle.
Es tat gut, aber es kratzte auch im Hals. Plötzlich hatte er das Gefühl, Feuer aus der Hölle trinken zu müssen.
Als er das Glas mit einer harten Bewegung abstellte, ging es ihm zwar nicht besser, aber er redete sich ein, dass ihm der erste Schluck geholfen hatte.
Es war nichts gegen die Angst!
Die blieb nach wie vor in seinem Innern bestehen. Sie quälte ihn, sie ließ seinen Puls rasen, und er fühlte sich wie in einem Gefängnis.
Tief holte er Luft. Sein Blick glitt ins Leere. Er sah die Tische und die Stühle. Dort hockte kein einziger Gast. Er kannte es anders. Er kannte die wilden Feten, die hier oben nächtelang gefeiert worden waren. Einfach Wahnsinn, was dort sonst ablief. Geister-Partys mit schrecklichen Gestalten.
Halloween das ganze Jahr über. Verrückte, irre Stunden mit der entsprechenden Musik, als hätte die Hölle ihre Tore aufgerissen.
Und jetzt?
Nichts, gar nichts. Es blieb totenstill. Auch von draußen hörte er keine Geräusche. Es war so leer, und es hätte beruhigend für seine Nerven sein müssen.
Genau das war nicht der Fall!
Die Stille zerrte an seinen Nerven. Sie sorgte dafür, dass ihm Schweiß ausbrach.
Rico griff wieder zum Glas. Die oberen beiden Hemdknöpfe hatte er geöffnet, weil er das Gefühl hatte, keine Luft zu bekommen.
Noch immer stand er so unter Druck, dass er beim Trinken einen Teil der Flüssigkeit verschüttete, die an seiner Kehle entlang bis zum Hemd rann.
Er fluchte und stellte das Glas ab, in dem sich nur noch ein Rest befand. Mit dem Handrücken wischte er den Whisky von seinem Hals weg.
Die paar Schlucke hatten bereits ausgereicht, um ihn in einen anderen Zustand zu versetzen. Er war noch da, er stand mit beiden Beinen auf dem Boden, aber er fühlte sich jetzt leicht und auch relativ beschwingt. Zugleich kam es ihm vor, als wäre Nebel in seinen Kopf gedrungen, um sich dort auszubreiten.
Er blieb hinter der Theke stehen und stützte sich mit seinen Armen auf das Holz. So ging es ihm besser. Vom Magen her drängte etwas Bitteres in seine Kehle, das nach Whisky schmeckte.
Er dachte an die beiden Polizisten und auch an den Henker. Verdammt, wie sollten sie einen Schatten finden und auch stellen, um ihn dann auszuschalten?
Er bezweifelte, dass sie es schafften. Kein Mensch war stärker als ein Schatten. Wenn man ihn angriff, konnte man ihn treffen, aber man erhielt trotzdem kein Ziel, weil ein Schatten einfach keinen Körper besaß.
Er wartete und fragte sich, worauf. Dass alles zu einem glücklichen Ende kam und er keine Angst mehr um sein Leben zu haben brauchte? So weit wollte er nicht gehen, aber er wollte sein Leben nicht beenden. Er wollte das Hamburg Dungeon weiterführen und es auch in andere Städte bringen.
Der genossene Alkohol hatte dafür gesorgt, dass Rico Wilde plötzlich wieder mit seinen Visionen konfrontiert wurde. Sie waren das, was seinem Leben einen Push gab, und er hoffte, seinen Unternehmungsgeist auch niemals zu verlieren.
Auf einmal war die Stille weg.
Er hörte etwas und schrak zusammen. Es waren dumpfe, leicht pochend, aber auch hart klingende Geräusche, die sich verstärkten.
Jemand kam.
Und er ging über die Treppe nach oben. Die Stufen gaben die Echos der Schritte wider.
Rico Wilde drehte den Kopf zur Seite und spähte angestrengt, aber die Person erschien noch nicht in seinem Blickfeld. Sie war zu weit entfernt.
Rico hielt nichts mehr hinter der Theke. Er ging zur Seite und verließ sie dort, wo sich eine Lücke befand. Von dieser Stelle aus hatte er einen guten Überblick.
Das Licht fiel auch auf die Treppe. Da sie einen Bogen machte, sah er die untere Hälfte nicht ein.
Plötzlich huschte ein Schatten über die Stufen. Er war ebenso verzerrt wie die gesamte Gestalt, und der Hut auf ihrem Kopf identifizierte sie als den Fahrstuhlführer Karl Märtens.
Rico Wilde fiel ein Stein vom Herzen. Er konnte nicht mehr an sich halten und musste einfach lachen. Das Lachen schallte Karl Märtens entgegen, der sich Stufe für Stufe hochdrückte, den Zylinder zurückschob und zu grinsen begann.
»Du bist
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