1186 - Der Henker vom Hamburg Dungeon
Unterlage gewöhnten.
Wir hörten keine Musik mehr. Aber andere Laute wehten uns entgegen. Leises Jammern, dazwischen die Schreie von Menschen. Sie hatten einen anderen Klang als die im Bereich des Feuers.
Mir rann ein Schauer über den Rücken. So wie diese Menschen schrieen Personen, wenn sie gefoltert wurden. Niemand brauchte mir zu sagen, wo uns der Weg hinführte. Genau in die Folterkammer der so genannten Heiligen Inquisition.
Einmal drehte Kollege Knudsen den Kopf. Da ich dicht hinter ihm ging, erkannte ich trotz der schlechten Beleuchtung sein Gesicht. Mir blieb auch die Gänsehaut darauf nicht verborgen.
»Es wird wohl keine Freude werden, das zu sehen«, flüsterte er mir zu.
»Bestimmt nicht.«
Vor uns öffnete sich die Kammer. Es gab hier eine offene Tür, und wir traten ein, um die schlimmen Sünden der Menschen mit eigenen Augen erleben zu können.
Es war schrecklich. Alles, was sich ein perverses menschliches Hirn an Grausamkeiten hatte ausdenken können, war hier zusammengetragen worden.
Und es sah verdammt echt aus. Hier hatten sich die Künstler die größte Mühe gegeben und eine perfekte Nachbildung geschaffen. Es war kaum zu glauben, was es alles an Scheußlichkeiten im alten Hamburg gegeben hatte, aber so etwas war mir bekannt aus dem London Dungeon. Zudem auch von meinen Zeitreisen.
Nicht alle der hier ausgestellten Figuren besaßen noch die eigenen Köpfe. Bei manchen sahen wir nur die Torsi. Die dazugehörigen Köpfe steckten auf Stangen. Die Gesichter spiegelten all das Elend, all die Schmerzen und auch die Verzweiflung wider, die die Menschen in den letzten Sekunden ihres Lebens erlebt hatten.
»Das ist hart«, flüsterte Knudsen.
Ich nickte nur und begab mich auf meinen Rundweg durch die Folterkammer.
Allmählich befasste ich mich gedanklich wieder mit dem killenden Schatten. Ich hatte ihn in den letzten Minuten vergessen, weil ich durch andere Dinge einfach zu stark abgelenkt worden war. Nun aber hatte ich mich an die Umgebung »gewöhnen« können, auch wenn sie noch so schrecklich aussah.
Es gab kein Folterinstrument, das ausgespart worden war. Die Streckbank, das Nagelbrett, die glühende Kohle, in die ein schwitzender Folterknecht seine Eisen hielt, um sie anschließend den Gefangenen auf die Haut zu drücken.
Frauen und Männer. Alle in Lumpen gekleidet waren die Opfer der Inquisition geworden. Sie waren gefesselt und angekettet worden. Ihre Körper sahen oft verdreht aus, weil man ihnen die Knochen gebrochen hatte, und sie waren zudem von den schrecklichen Wunden der Marterinstrumente gezeichnet.
Das zu sehen, war nichts für Menschen mit schwachen Nerven. So konnte ich die Warnung am Eingang verstehen und auch den gleichen Text auf den Prospekten. Mit Kindern würde ich das Hamburg Dungeon niemals besuchen.
Aber es gab auch andere, die diese Hölle gern betraten. Vor allen Dingen Jugendliche, die anschließend eine Fete des Schreckens in der Cafeteria feierten. Ich konnte mir allerdings einen besseren Ort dafür vorstellen.
Die Gesichter sahen verdammt echt aus. Ich glaubte, sogar den Angstschweiß darauf schimmern zu sehen. Als Hintergrundkulisse blieb das Schreien, Stöhnen und Jammern. Nur erschien keine Schauspielerin und auch kein Schauspieler, um dem Ganzen noch das Sahnehäubchen aufzusetzen.
Menschen hockten in so kleinen Käfigen, dass man ihnen die Glieder gebrochen haben musste, um sie dort überhaupt hineinzubekommen.
Abgehackte Köpfe mit offenen Mäulern, verdrehten Augen und blutbeschmierten Bärten oder Mundwinkeln starrten uns an. An der linken Seite stand eine Frau, die fast unbekleidet war, aber sehr wild aussah. Sie hatte den feurigen Blick einer Hexe, und das pechschwarze Haar stand wirr von ihrem Kopf ab. Alles an ihr wirkte so verdammt echt, dass ich unwillkürlich zurückzuckte.
Genau in das Lachen hinein!
Es gellte hart und hässlich durch die Folterkammer und erreichte jeden Winkel.
Knudsen und ich blieben abrupt stehen.
Zu sagen brauchten wir nichts.
Das Lachen kam nicht vom Band.
Es war echt!
***
Rico Wilde hatte es nicht mehr ausgehalten. Er brauchte einfach einen kräftigen Schluck. Deshalb war er nach oben in die Cafeteria gegangen und hatte aus dem Regal eine Flasche Whisky geholt.
Ein guter Tropfen aus Schottland; den amerikanischen Bourbon trank er nur in Ausnahmefällen.
Hinter der Theke blieb er stehen. Zuerst hatte er daran gedacht, den Whisky aus der Flasche zu trinken. Schließlich hatte er sich für ein Glas
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