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1188 - Wartesaal zum Jenseits

1188 - Wartesaal zum Jenseits

Titel: 1188 - Wartesaal zum Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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dass sie schwankte, und ich schlich an der Wand entlang näher an das Geschehen heran. Oft genug hatte ich ein Finale in einer Kirche erlebt, aber nicht so wie jetzt, wo es die Brücke zwischen Jenseits und Diesseits gab.
    »Gift!«, hörte ich die schrille Stimme. »Ich habe Gift genommen. Ich habe mich getötet. Ich wollte das Jenseits erleben, nach dem wir uns alle so sehnen. Weißt du nun Bescheid? Kein Herzschlag, sondern Gift. Ich habe es genommen…«
    Stille senkte sich nach diesen Worten wieder über den Innenraum der Kirche. Tessa wollte es nicht fassen. Sie schlug die Hände vors Gesicht, wobei sie ihren Mund nicht bedeckte und flüsterte: »Um Gottes willen. Du hast dich umgebracht. Der Himmel will keine Selbstmörder. Er nimmt keine Menschen an, die ihr Leben einfach wegwerfen.«
    »Das habe ich nicht, Tessa. Ich habe es nur getauscht. Ich habe ein neues erhalten.«
    »Nein, du wirst nie den Frieden finden, Mutter. Die Seelen der Selbstmörder können nicht in die Herrlichkeit des Himmels eingehen. Ich… ich… denke es mir. Du wirst immer zwischen den Zeiten pendeln. Du wirst nie eine Heilige werden. Es gibt im Wartesaal zum Jenseits keine Tür, die dich zu ihnen führt…«
    »Hör auf!«, schrie Ben Clemens sie an. »Es ist genug. Wir werden dir beweisen, dass dein Erscheinen hier falsch war. In dieser Kirche wird es sehr bald geschehen. Wir alle werden den Weg gehen, den auch deine Mutter genommen hat. Und du wirst die Erste sein. Wir werden dich vor den Augen deiner Mutter töten. Wir werden dir den Schädel einschlagen und…«
    »Das wird keiner von euch wagen!«, sagte ich mit lauter Stimme…
    ***
    Stille!
    Wie aus dem Märchenbuch. Wie in einem verschneiten Wald am frühen Morgen. Eisig und Gänsehaut erzeugend. Eine Stille, die belastete und bedrückte. In ihr war nur ein Geräusch zu hören. Die Echos meiner Schritte, als ich mich aus dem Halbdunkel der Wand hervor in Bewegung setzte und auf den Altar zuschritt. Ich kam von der Seite, und es gab nicht wenige Menschen in den Bänken, die ihre Köpfe gedreht hatten und mich anschauten.
    War Tessa die erste Unbekannte in dieser Rechnung gewesen, so war ich die zweite. Man kannte mich nicht, und man war irritiert, als aus einer anderen Richtung ebenfalls Schritte zu hören waren.
    Von der rechten Seite näherten sich Suko und Glenda.
    Auch Tessa Tomlin hatte es die Sprache verschlagen. Sie wusste auch nicht, wen sie anschauen sollte. Ich hörte nur, wie aus dem offenen Mund der Atem pfiff.
    Nicht weit von der Altarseite blieb ich stehen. Clemens und die Erscheinung hatte ich im Blick, und ich spürte zum ersten Mal die Nähe dieser anderen Welt. Es war ein Gefühl, das ich schlecht beschreiben konnte. Kalt, wie ein rieselnder Strom auf der Haut, der schließlich in meinem Kreuz endete.
    »Wer immer du bist«, flüsterte mir Ben Clemens zu, »sie wird dich vernichten.«
    »Nein, das wird sie nicht. Das kann sie nicht!«
    Der Geistliche bekam große Augen. »Was sagst du da? Bist du übergeschnappt? Du bist ein Mensch und kannst dich nicht…«
    »Doch, ich kann«, sagte ich mit leiser Stimme. »Sie wird mich nicht vernichten. Ich heiße nicht Boris.«
    Die letzten Worte hatte ich direkt an die Erscheinung gerichtet und wartete auf eine Reaktion.
    Ich sah sie vom Kopf bis zu den Füßen. Das Gesicht war nicht starr. Es bewegte sich Licht in seinem Innern. Es war dort ein ständiges Flackern zu erkennen, wie auch auf meinem Kreuz, das ich jetzt offen in der Hand hielt und den Arm dabei anhob.
    Meine Worte galten Ben Clemens. »Wird sie sich auch gegen dieses Zeichen stemmen wollen?«
    Sein Mund zuckte. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Vielleicht war es ihm auch nicht möglich, denn er schaute auf mein Kreuz, das zwar normal wirkte, aber trotzdem anders war, denn wie ein schwacher Strom floss das Licht darüber hinweg.
    »Was… was… ist das?«
    Ich lachte ihn an. »Müssen Sie das fragen, Clemens? Kennen Sie das Zeichen des Sieges über den Tod nicht? Sie werden es kennen, aber sie haben ihm abgeschworen. Sie wollten das Jenseits anders erleben. Nun, ich muss sagen, dass Sie weit gekommen sind. Aber hinauf zu den Heiligen werden Sie nicht steigen. Sie sind in Ihrem eigenen Fanatismus erstickt. Sie können die Menschen nicht lieben, sie können sie nur benutzen. Sie wollen Ihren Egoismus auf andere übertragen, doch das klappt nicht. Der Wartesaal zum Jenseits wird geschlossen bleiben. Für Sie und auch für die anderen.«
    Meine Worte hatten

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