1189 - Hexen-Wahrheit
Fußstapfen trat.
Von Costello glitten meine Gedanken zurück zu unserem Freund Tanner, der auf uns zukam. Er war schon eine Institution geworden, und so sah er auch aus.
Der graue Tanner, den ich nie ohne Hut sah. Je nach Stimmung hatte er ihn zurückgeschoben oder in die Stirn gedrückt. Wenn das eintrat, war er sauer. Im Moment hing er in der Mitte. Natürlich stand der graue Mantel offen. Der Anzug darunter war ebenfalls grau und auch die Weste. Zwischen seinen Lippen klebte die erkaltete Hälfte einer Zigarre, die er quer durch den Mund wandern ließ.
Er schaufelte mit den Händen, sodass Suko und ich zur Seite rückten. Tanner nahm schnaufend zwischen uns Platz und sagte: »Man ist ja nicht mehr der Jüngste.«
»Du sagst es.«
»Junger Hüpfer.«
»Danke, Dad.«
Tanner brummte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart, kam aber noch nicht zur Sache. Er schaute geradeaus auf den abgestellten Zug. Wir kannten ihn gut genug, um zu wissen, dass er nur etwas sagen würde, wenn er es auch wollte.
»Der Typ sah ja scheußlich aus. Hätte sich die Kugel lieber in die Stirn schießen sollen.« Seine Zigarre wanderte wieder dem rechten Mundwinkel entgegen. »Jedenfalls wissen wir, wie er heißt.«
»Oh, das ist gut«, sagte Suko.
»Meinst du?«
»Warum nicht?«
Der Stumpen wanderte wieder in die andere Richtung. »Dieser Typ war tiefste Mafia, Freunde. Sehr tief sogar. Hat mir jedenfalls einer meiner Männer erzählt. Er heißt oder hieß Gino Cobani…«
Tanner legte eine Pause ein, damit wir über den Namen nachdenken konnten.
»Der Name sagt uns nichts.« Ich sprach für Suko gleich mit.
»Hatte ich mir schon gedacht. Er ist so etwas wie ein Oberabkassierer gewesen.« Tanner musste lachen. »Auch die fahren jetzt U-Bahn.«
»Erpressung also.«
»Richtig, John, nicht euer Gebiet. Schutzgelder, die sie von den entsprechenden Leuten kassierten. Puffs, Bars, auch Restaurants, aber rein italienisch. Da haben sie die Fronten mit den anderen Europäern genau abgesteckt. Sie wollen den Russen und den Balkanesen nicht in die Quere kommen.«
»Wusste dein Mann denn auch, wer hinter Cobani steht?«
»Ja. Tizian Tristano.«
Ich prustete los. Auch Suko konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Nur Tanner blieb ernst. Er wusste wohl mehr mit diesem Namen anzufangen.
»Auch ich habe mal über den Namen gelacht«, sagte er wenig später. »Wobei ich nicht mal weiß, ob es der echte ist. Er lässt sich auch T.T. nennen. Egal, Tristano ist ein Schwein. Knallhart und gnadenlos. Moderner Mafioso. Ohne irgendwelche Bindungen an sein Heimatland. Auch ohne Verantwortung für die Familien seiner Leute, wenn denen mal etwas passiert. Er ist nicht nur einer, der hochkommen will, er ist schon oben. Aber noch nicht ganz oben. Dorthin wird er sich wohl den Weg noch freimorden müssen.«
»Und jetzt hat er einen seiner wichtigsten Männer verloren«, stellte ich fest.
»Genau, John.«
»Und das durch einen Selbstmord.«
Tanner schlug auf sein linkes Knie. »Das genau ist der Hammer. Das wird ihn nicht schlafen lassen. Welch einen Grund sollte ein so wichtiger Mann wie Cobani gehabt haben, sich einfach umzubringen? Ich kann mir keinen vorstellen.« Er spreizte die Daumen zu verschiedenen Seiten hin ab. »Aber ihr könnt es.«
»Du denkst an seine letzten Worte«, sagte Suko.
»Genau. Hexen-Wahrheit, nicht?«
Wir nickten.
»Dann müsst ihr mir nur noch erklären, was das bedeutet. Dann bin ich vorerst zufrieden.«
»Wir passen«, sagte ich und hatte für Suko mitgesprochen. Außerdem war das nicht mal gelogen.
Tanner zeigte sich trotzdem enttäuscht. »Ehrlich?«
»Tut mir leid.«
Tanner blieb ruhig, was bei ihm nicht oft vorkam. Er war jemand, der schnell aus der Haut fuhr, aber nie ungerecht war. Seine Gedanken beschäftigten sich mit den normalen Verbrechen, bei denen Dämonen nichts zu suchen hatten. »Könnte es sein«, fragte er schließlich, »dass sich wieder eine ähnliche Allianz aufbaut, wie es sie schon mal unter Logan Costello gegeben hat?«
»Um Himmels willen, nein.«
Tanner blieb bei seiner Meinung. »Wirf diese Theorie nicht so weit weg. Ich jedenfalls werde Tizian Tristano auf den Zahn fühlen. Eine andere Spur habe ich nicht.«
Suko nickte. »Alles klar, Tanner, auch wir werden uns mit T.T. beschäftigen. Allerdings nicht so direkt. Da fällt uns schon was ein.«
Der Chief Inspektor seufzte. »Jedenfalls will es nicht in meinen Kopf, dass plötzlich jemand daherkommt, eine Waffe zieht und sich in
Weitere Kostenlose Bücher