1189 - Hexen-Wahrheit
wollte sie jetzt nicht.
»Man hat mich geschaffen!« Diesmal klang die Antwort trotzig. »Ja, man hat mich geschaffen. Man hat mich geholt. Man hat mich geboren, man wollte mich schaffen wie ein Kind. Und es ist ihnen gelungen. Ich bin jetzt vorhanden. Ich irre herum. Ich habe mich schon in dieser Welt gefangen, aber ich bin noch nicht perfekt, denn ich benötige Hilfe.«
»Auch das noch!«, sagte Jane und unterdrückte den Spott in ihren Worten nicht. »Du kannst dir denken, dass ich mit dir meine Schwierigkeiten habe, denn ich glaube nur das, was ich sehe. Und dich sehe ich leider nicht.« Sie blieb hart. Von einer Furcht war bei der Detektivin nichts mehr zu spüren. Sie hatte sich mittlerweile mit den Gegebenheiten abgefunden. Nicht sie wollte etwas von diesem Geist, sondern Gunhilla wollte etwas von ihr, und sie musste jetzt zugeben, dass dieser Geist Probleme besaß. Er suchte einen Weg in die sichtbare Welt und konnte ihn nicht finden.
Jane spürte auch die Unruhe, die das unsichtbare Wesen erfasst hielt. Beschreiben hätte sie es nicht können. Diese Unruhe war einfach vorhanden. Sie lag in der Luft. Sie war ein Prickeln, und Jane konnte nicht behaupten, dass sie sich dabei wohl fühlte.
Auf der anderen Seite war sie auch neugierig geworden. Sie hatte sehr genau zugehört, und sie wusste jetzt, dass der Geist in einer Klemme steckte. Wenn sie genauer über das Gesagte nachdachte, fiel ihr schon etwas auf, das ihr nicht gefiel. Sie hatte erfahren, dass der Geist erschaffen worden war.
Von wem erschaffen?
Diese Frage brannte in ihr. Zugleich dachte sie daran, dass sie einen unfertigen Geist vor sich hatte.
Denn nur feinstoffliche Wesen, die nicht perfekt waren, konnten so reagieren. Leid tat Gunhilla ihr nicht, aber Jane Collins versuchte es jetzt auf die andere Tour.
»Okay«, sagte sie und hob die Schultern. »Da die Fronten jetzt einigermaßen geklärt sind und ich mich an dich gewöhnt habe -«, sie lachte kurz auf, »- würde mich es wirklich interessieren, wie es jetzt weitergehen soll. Ich bin ein Mensch. Du bist ein Geist und heißt Gunhilla.«
»Ja, du hast Recht.«
»Dann weiter.«
»Du bist mehr als ein Mensch!«, vernahm Jane das Flüstern aus dem Unsichtbaren. »Ich bin nicht grundlos auf dich getroffen. Ich habe dich vielleicht sogar gesucht. Oder mich hat das Schicksal in deine Richtung geführt, ich weiß es nicht. Ich sage dir nur, dass es zwischen uns eine gewisse Verbundenheit gibt. Ich bin allein, aber ich will nicht allein bleiben, deshalb brauche ich deine Hilfe. Ich will endlich sichtbar werden. Ich möchte nicht mehr umherirren. Ich will nicht zwischen den Zeiten wandern. Ich will es schaffen, in diese Welt zu kommen, hast du verstanden?«
»Ja, natürlich. Ich habe sogar Verständnis dafür. Das ist alles klar, Gunhilla. Doch es gibt zu große Unterschiede zwischen uns. Ich weiß nicht, ob ich dir, einer Unsichtbaren, vertrauen kann. Etwas stimmt hier nicht.«
»Du hast Recht. Hier stimmt vieles nicht. Aber wir müssen es einfach ändern.«
»Und wer hat dich geholt?«
»Sie haben sich überschätzt.«
»Wer?«
»Sie…«
Jane schüttelte den Kopf. »Das kann ich so nicht hinnehmen. Wenn ich schon etwas für dich tun soll, dann musst du Vertrauen zu mir haben. Ich weiß viel zu wenig von dir. Du hast mir nicht mal deinen gesamten Namen genannt, und den sollte man einem Menschen schon nennen, von dem man sich Hilfe erhofft.«
Jane wusste nicht, ob der Geist eine gewisse Unruhe erlebte. Sie meinte es zu spüren. Sie merkte, wie etwas in ihrer Nähe hin und her glitt und auch die Kälte wieder zunahm. Und sie dachte daran, dass sich das Haus der Lady Sarah allmählich zu einem Geisterhaus entwickelte, denn oft genug waren die beiden Frauen in diesen Wänden mit übersinnlichen Phänomenen konfrontiert worden.
»Du heißt…«
»Gunhilla Blaisdell!«
Jane konnte das Lächeln nicht unterdrücken. Sie freute sich darüber, endlich eine Information erhalten zu haben, mit der sie etwas anzufangen wusste.
»Das ist wunderbar. Schon ein großes Entgegenkommen«, erklärte Jane. »Jetzt möchte ich nur noch von dir wissen, was ich für dich tun kann.«
»Das werde ich dir noch sagen.«
»Ich höre.«
»Nein, nein erst später. Nicht jetzt. Ich brauche noch Zeit. Ich muss etwas erledigen, verstehst du?«
»Überhaupt nicht.«
»Danke, dass du mir zugehört hast. Du wirst bald alles sehen können. Vielleicht sogar an diesem Tag. Es muss Schritt für Schritt gehen, hörst
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