1189 - Hexen-Wahrheit
Kurz bevor Cobani sich umbrachte, reagierte mein Kreuz. Es war nur ein kurzes Stechen, ein geringer Wärmestoß, aber der hat gereicht, um mich misstrauisch zu machen. Es muss etwas in der Nähe gewesen sein, was eben dazu führte, dass sich der Mann plötzlich umbrachte.«
»Gesehen haben Sie nichts?«
»Nein«, sagte Suko. »Zudem ist mir auch nichts aufgefallen. Das lag einzig und allein bei John.«
»Hexen-Wahrheit«, wiederholte der Superintendent. »Was könnte dahinter stecken?«
»Eine Rache?«
Sir James schaute Suko an. »Wäre zumindest eine Möglichkeit. Eine Hexe rächt sich.«
»Aber eine, die nicht sichtbar ist«, sagte ich.
»Das spielt keine Rolle. Gehen wir mal davon aus, dass sie es getan hat. Warum? Sie muss einen Grund gehabt haben. Es geht nicht ohne.«
Da lag er genau richtig. Und wir mussten versuchen, mehr über einen gewissen Gino Cobani herauszufinden und möglicherweise auch über Don Ambrose, der sich ebenfalls umgebracht hatte, ohne dass ein Motiv vorlag.
»Trotz allem glaube ich stark daran, dass es zwischen den beiden Fällen einen Zusammenhang gibt«, sagte Sir James. »So unterschiedlich die Männer auch sein mögen und auch gelebt haben.«
Ich gab ihm Recht. »Okay, dann kümmern wir uns mal um die beiden Männer.«
»Wen wollen Sie sich zuerst vornehmen?«
»Cobani.«
Sir James lächelte. »Dann werden Sie es mit einem gewissen Tizian Tristano zu tun bekommen.«
»Ich weiß.«
Sir James verengte die Augen. »Ich würde sagen, dass Sie sich in Acht nehmen sollten. Tristano ist mittlerweile zu einer Größe in der Unterwelt herangewachsen.«
»Wissen Sie, wo wir ihn treffen können?«
Sir James lächelte. »Ich habe mich bereits erkundigt. Um diese Zeit hält sich der große Boss in seinem eigenen Fitness-Center auf. Es liegt in der Nähe des Hyde Parks. Die genaue Adresse kann ich Ihnen auch geben.«
»Danke, Sir.«
Nachdem er uns die Adresse genannt hatte, gingen wir. Es gab Tage, da hatten wir das Büro unseres Chefs schon fröhlicher verlassen…
***
Die Stimme!
Jane Collins hatte sie gehört. So sehr sie sich auch anstrengte, sie schaffte es nicht, die Sprecherin zu sehen. Sie hielt sich auch nicht im Zimmer versteckt. Jane sah gar nichts Fremdes. Nur die Kälte war zu spüren.
Sie stellte eine Frage, die ihr dumm vorkam, aber in ihrer Lage ganz natürlich war. »Wo bist du?«
»Immer in deiner Nähe.«
»Und warum zeigst du dich nicht?«
»Ich kann nicht«, flüsterte die Stimme aus dem Unsichtbaren. »Noch nicht. Aber ich bin da, und ich bin bei dir, das ist für mich sehr wichtig, Jane.«
»Das hört sich an, als hättest du mich gesucht.«
»Stimmt.«
»Warum?«
»Es geht um die Wahrheit. Um die Hexen-Wahrheit, Jane. Wenn du verstehst?«
»Nein, ich verstehe es nicht.«
»Warte es ab. Es dauert nicht mehr lange, dann wirst du die Dinge begreifen. Manchmal überschätzen Menschen sich, und ich kenne welche, die sich überschätzt haben.«
»Bei dir.«
»Ja.«
Jane wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie war einiges gewohnt, doch diese Situation überforderte sie. Sie wunderte sich besonders darüber, dass sich Gunhilla nicht zeigte, und darauf wollte sie zuerst hinweisen.
Jane Collins blickte in die Runde. Dabei fragte sie: »Warum sehe ich dich nicht?«
Es blieb für die Dauer einiger Sekunden ruhig. Dann hörte sie ein leises Lachen, und es klang beinahe spöttisch. Aber auch bedrückend. Danach die leise gesprochene Antwort. »Es ist noch nicht möglich.«
So etwas Ähnliches hatte sich Jane gedacht. Sie nahm es nicht hin. Sie hatte sich vorgenommen, die unsichtbare Person zu provozieren. »Dann frage ich mich, ob es dich überhaupt gibt. Oder ob du eine Einbildung bist, die aus mir selbst hervorkommt. Aus meinem Unterbewusstsein entstiegen ist. Vielleicht bin ich es nur, die sich einbildet, Stimmen zu hören. Oder nur deine Stimme. Es gibt ja viele Dinge in dieser Welt. Die sichtbaren und die unsichtbaren…«
In Janes Worte hinein fiel das Lachen. Es hörte sich hart an und zugleich provozierend. Vielleicht auch wütend und auf eine gewisse Art und Weise verloren. Zugleich nahm Jane die Steigerung der Kälte wahr, ohne jedoch einen Hauch oder einen Dunststreifen zu sehen, der wie kalter Nebel durch das Zimmer wehte. Sie schien mit ihren Worten den Geist geärgert zu haben.
»Du hörst mich doch.«
»Das ist mir zu wenig!«, konterte Jane.
»Ich bin!«
Jane hob die Schultern. Sie hoffte, dass der Geist sie sehen konnte. Reden
Weitere Kostenlose Bücher