1189 - Hexen-Wahrheit
nicht als Verräterin dastehen. Ich käme mir jedenfalls so vor.«
Sarah deutete durch ihr Nicken die Zustimmung an. »Aber wie ich dich kenne, wirst du deine Hände nicht in den Schoß legen. Das ist einfach nicht deine Art.«
»Stimmt.«
Sarah schaute die jüngere Frau an. Um ihre Lippen spielte ein feines Lächeln. »Und was machen wir?«
»Das weißt du doch.«
»Der Name, nicht?«
»Genau. Sagt er dir etwas?«
Sarah Goldwyn zuckte die Achseln.
»Nein, natürlich nicht. Ich kann schließlich nicht alle Hexen kennen. Oder Personen, die sich für eine Hexen-Wahrheit engagieren. Da muss ich schon zu anderen Mitteln greifen.«
»Die eine Etage höher liegen.«
»Sehr richtig.«
Sarah hatte es eilig. Sie stand auf und erreichte vor Jane die Tür. Im Flur wartete sie auf Jane, die Sekunden später bei ihr war und das Licht einschaltete.
Beide gingen durch das ansonsten leere Haus hinauf bis unter das Dach. Sie waren allein, und sie blieben auch allein, denn nichts war zu hören.
Keine Stimme. Jane spürte auch keinen Hauch, der sie gestreift hätte. Die unnatürliche Kälte war längst Vergangenheit. Allerdings nicht vergessen.
Der Computer stand noch immer an seinem Platz. Die Bücher befanden sich in den Regalen, ebenso wie zahlreiche Video-Kassetten mit Spiel- oder Dokumentarfilmen. Im Laufe der Jahre hatte sich alles angehäuft. Jane war es noch nicht gelungen, das gesamte Material zu digitalisieren. Lady Sarah kannte sich aus. Sie wusste auch jetzt, wohin sie greifen musste, um die entsprechende Literatur zur Hand nehmen zu können. Über Hexen und angebliche Hexen gab es genügend Material, aber in diesem Fall suchte sie nach einem bestimmten Buch, in dem die Namen zahlreicher Hexen aufgeführt worden waren.
Zu jedem Namen gab es eine kurze Beschreibung. Es war ein Buch, das aus einem alten Kirchenarchiv stammte. Auch dort hatte man mit einer preußischen Genauigkeit alles festgehalten, was für die Kirche wichtig war.
Auch die sehr negativen Seiten waren dokumentiert worden. Das galt für das Königreich Britannien damals ebenso wie für die Staaten des Festlandes.
Mit dem entsprechenden Buch in der Hand schlenderte Sarah Goldwyn zurück zu Jane Collins. »Es geht ja um eine Gunhilla Blaisdell. Und damit um einen englischen Namen. Wenn wir sie finden, dann hier.«
Beide Frauen hockten sich zusammen. Lady Sarah blätterte das Buch mit vorsichtigen Bewegungen auf. Das Papier war alt, und sie wollte auf keinen Fall etwas zerstören. Immer wenn sie blätterte, war ein leises Rascheln zu hören, und als sie einen leisen Schrei ausstieß, hatte sie den Namen Gunhilla Blaisdell gefunden.
»Hier, Jane, hier genau. Na bitte, wer sagt es denn? Man muss nur wissen, wo man nachschaut.«
»Du bist eben ein Gedächtnis auf zwei Beinen.«
»Na ja, so ungefähr.«
Beide lasen den Namen Gunhilla Blaisdell. Sie hatte im achtzehnten Jahrhundert in London gelebt und war dort als Hexe anerkannt worden. Oder als weise Frau, noch jung, aber trotzdem voller Erfahrung steckend. Sie hatte in der Nähe des Towers gewohnt und dort die Menschen empfangen, die sie um Rat angefleht hatten. Sie war wohl sehr angesehen gewesen. Im kurzen Text stand, dass sie auch von gewissen Menschen vom Hofe besucht worden war.
Dann war sie gestorben.
»Gerichtet steht hier«, sagte Sarah.
»Oder hingerichtet.«
»Ja, das hätte man wohl besser geschrieben.«
Auch wenn die beiden Frauen den Text mehrmals lasen, sie erhielten keine neuen Erkenntnisse.
Nichts wurde ihnen bekannt gemacht. Es blieb bei dieser schon sachlichen Information. Es hatte auch keine Beschreibung der angeblichen Hexe in diesem Text gestanden, und eigentlich wussten die beiden kaum mehr als zuvor.
»Enttäuscht?«, fragte Sarah.
Jane zuckte mit den Schultern. »Irgendwie bin ich das schon, aber man hätte damit auch rechnen können. Es läuft eben nicht alles so glatt, wie man es sich wünscht.«
»Tatsache ist und bleibt, dass diese Person existiert. Ob sie nun ein Hexe ist oder nicht. Es gibt sie oder es gab sie. Man hat sie gerichtet. Sie muss tot sein, und trotzdem existiert sie auf eine bestimmte Art und Weise. Man hat es nicht geschafft, ihren Geist zu vernichten. Er hat dich besucht, was ich nicht begreifen kann. Aber lassen wir das…«
»Nein, Sarah, ich möchte das nicht weglassen. Ihr Besuch bei mir hat einen Grund gehabt. Das weiß ich sehr genau. Sie ist nicht gekommen, um mir einen guten Tag oder eine gute Nacht zu wünschen. Das ist alles
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