119 - Satanische Klauen
- wir werden heiraten.“
„Heiraten? Daß ich nicht lache. Wovon denn?
Du studierst noch. Ihr werdet euch nicht mal die Miete leisten können. Auf
meiner Tasche liegen, und mit diesem Flittchen ..
„Vater!“ Raoul Valeau brüllte das Wort. „Sag
das nicht noch einmal!“
„Oh, mein Sohn! Hast du bemerkt, Brigit, wie
weit sie ihn schon gegen uns aufgehetzt hat? Er droht, mir.“ Ehe Brigit Valeau
es verhindern konnte, stieß ihr Mann sie zurück und machte zwei schnelle
Schritte auf seinen Sohn zu, der sich der Tür näherte. „Wo willst du hin?“
brüllte er mit Stentorstimme.
„Raus aus diesem Irrenhaus!“ brüllte Raoul
ebenso heftig zurück. „Vielleicht komme ich noch mal wieder, wenn du dich beruhigt
hast, wenn es möglich ist, mit dir normal zu reden.“
„Du bleibst hier.“
„Ich gehe, wohin ich will. Ich laß mir von
dir keine Vorschriften machen, keine jedenfalls, die ich nicht verstehen kann.“
Mit diesen Worten drückte er die Klinke herunter und riß die Tür auf.
Im Türrahmen tauchte im gleichen Augenblick
Antoinette, die Köchin, auf.
Sie trug ein Tablett, auf dem eine riesige
Suppenterrine stand. Der Deckel war nur halb aufgelegt, eine silberne
Schöpfkelle ragte heraus.
Henry Valeau machte einen Schritt vor und
erwischte seinen Sohn am Ärmel. Raoul machte darauf eine ruckartige Bewegung
und schlug den Arm des Vaters zurück.
Daraus erfolgte zweierlei.
Das Tablett geriet aus dem Gleichgewicht.
Geistesgegenwärtig drehte die Köchin sich noch seitlich ab. Damit konnte sie
Tablett und Terrine retten. Aber sie konnte nicht verhindern, daß der Deckel
über den Rand der Schüssel wegrutschte, auf dem Tablett kurz aufhüpfte und in
weitem Bogen abwärts sauste. Es schepperte und krachte. Das wertvolle Porzellan
zersprang auf dem blanken Parkett in tausend Scherben.
Aber das war noch das wenigste.
Was außerdem geschah, versetzte die Zuschauer
in Entsetzen.
Von Henrys Arm, den sein Sohn
zurückgeschlagen hatte, löste sich die Hand. Sie flog durch die Luft, landete
aufklatschend in der offenen Suppenterrine. Die heiße Brühe spritzte Antoinette
ins Gesicht. Sie schrie auf und ließ Tablett und Schüssel fallen.
●
Das kalte Grauen war in das Palais
eingezogen.
Brigit Valeau hatte unmittelbar nach dem
furchtbaren Geschehen in Carcassonne angerufen. Sie kannte dort niemanden,
hatte sich einfach nach dem Branchenverzeichnis des Telefonbuches gerichtet.
Der Arzt, ein Dr. Milon, war sofort bereit zu
kommen, als er hörte, was passiert war. Außerdem beeilte er sich wahrscheinlich
besonders, als er hörte, daß es sich um den prominenten Regisseur und
Produzenten großer Filme handelte.
Henry Valeau lag im Bett. Nach dem Vorfall
war er bewußtlos geworden und seither nicht wieder aufgewacht.
Ernst, mit einem Gesicht, als wäre es versteinert,
begleitete Madame Valeau den Arzt in das Krankenzimmer. Sie hatte Make-up
aufgelegt, aber die Blässe ihres Gesichts schimmerte hindurch.
Milon entfernte den Notverband. Der Knochen
war durchgebrochen. Das Fleisch rund um die Bruchstelle machte einen fauligen
Eindruck.
„Es ist, als ob er bei lebendigem Leib
verfaule“, kam es bedrückt und tonlos über die Lippen der schönen Französin.
„Kann so etwas überhaupt möglich sein, Doktor?“
Milon zuckte die Achseln. „Ich habe nie ein
ähnliches Krankheitsbild gesehen, Madame. Das muß ich Ihnen ehrlich sagen. Wie
lange hat Ihr Gatte das schon?“
„Ich weiß es nicht.“ Sie erzählte genau den
Vorgang, der zum Abbrechen der Hand geführt hatte. Die Hand lag in einem weißen
Tuch eingeschlagen auf dem Schemel in der düstersten Ecke des Zimmers. Milon
betrachtete sie sich genau.
Brigit Valeau fuhr fort: „Etwas allerdings
muß er geahnt haben. Seit gestern abend hat er die Hand verbunden, die andere“,
fügte sie hinzu. „Er hat mir erzählt, daß er sich in die Finger geschnitten hätte,
als er eine Radkappe am Auto anbringen wollte. Es kann möglich sein. Aber ich
fürchte, er hat mich belogen.“
Vorsichtig zog Milon die leichte Decke
zurück. Der Verband an der rechten Hand war unverändert. Er löste ihn
vorsichtig ab.
Brigit Valeau hielt den Atem an.
Ihre Befürchtung wurde bestätigt. An Henrys
rechter Hand fehlten Zeige-, Mittel- und Ringfinger. Die Wunde sah schwarz und
brandig aus. Dr. Milon machte ein bedenkliches Gesicht.
„Hier kann ich nicht viel machen“, bemerkte
er leise. Er fühlte den Puls und horchte das Herz ab. „Puls und Herz sind
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