1190 - Geisterrache
sichtbar ab. Ebenfalls der halbe BH, der die beiden Kugeln hielt.
Ihr Gesicht war wie immer perfekt geschminkt. Falten fielen höchstens aus der Nähe auf. Da sie keine Brille mochte, trug sie Kontaktlinsen, die deshalb einen so ungewöhnlichen Glanz erhielten, wie sie immer behauptete.
»Heiii…« Vor ihrem Bild blieb Doris stehen. »Das ist ja schon super!« Sie suchte dann einen Platz für ihre Jacke, aber der Maler hielt ihre rechte Hand fest.
»Es ist nicht mehr nötig, Doris.«
»Was meinst du?«
»Du brauchst dich nicht auszuziehen.«
»Ah.« Doris ging einen Schritt zur Seite und drehte sich, damit sie den Maler anschauen konnte.
»Habe ich das richtig verstanden?«
»Hast du.«
»Warum denn nicht?«
»Das Bild ist fertig.«
Doris zog einen Flunsch. Sie schaute auf das Bild, dann auf den Maler und schüttelte den Kopf. »Es sieht aus wie vor zwei Tagen. Da hast du gesagt, dass du noch daran arbeiten musst, um letzte Feinheiten herauszuholen.«
»Das habe ich getan«, log er.
»Ich sehe aber nichts.«
»Dir fehlt ja auch das Auge des Künstlers.«
Doris presste die Lippen zusammen. Es war ihr unklar, ob sie dem Mann glauben konnte oder nicht.
Deshalb versuchte sie es mit einem neutralen Lächeln.
»Glaubst du mir nicht?« fragte er.
»Keine Ahnung.« Sie musterte ihn. »Du scheinst mir einiges durchgemacht zu haben.«
»Wieso?«
»Irgendwie siehst du schlecht aus.«
»Man fühlt sich eben nicht jeden Tag gleich. Wenn du willst, kannst du das Bild mitnehmen. Ich werde es dir einpacken…«
»He, he.« Sie hob beide Hände. »Nur keine Eile. Du hast dir den Rest des Morgens für mich reserviert. Das weiß ich noch. Das hast du gesagt, und das werden wir gebührend feiern.« Bevor Dunn etwas sagen konnte, ließ sie ihn stehen, um in der Küche zu verschwinden.
Dunn stand da wie ein begossener Pudel. Er kam gegen Doris einfach nicht an und überlegte sich schon jetzt, ob er eine ähnliche Kundin noch mal annehmen würde.
Ihm ging Gunhilla nicht aus dem Sinn. Obwohl sie nicht auf dem Stuhl hockte, sah er sie noch immer dort sitzen. Die Erinnerung an ihr Auftreten war einfach zu stark.
Aus der Küche hörte er einen Knall. Das Geräusch ließ ihn zusammenzucken. Es war kein Schuss gefallen.
Doris hatte nur die Champagnerflasche geöffnet.
Ethan Dunn ging zur Tür. Er sah wie das Zeug aus dem Flaschenhals schäumte und seinen Weg in zwei Wassergläser fand. Echte Sektflöten hatte er nicht im Haus.
Sie ließ die Flasche stehen und kehrte mit den beiden Gläsern in das Atelier zurück.
Der Maler hätte das Zeug am liebsten zu Boden gekippt, aber er wollte Doris auch nicht verärgern und machte gute Miene zum bösen Spiel.
»Worauf trinken wir?« Sie hatte das Glas schon erhoben.
»Auf dich.«
»Nein, Ethan auf dich, auf mich und auf deine tolle Arbeit. Mein Mann wird begeistert sein. Eine Zierde für sein Schlafzimmer. Wir schlafen getrennt, weißt du. Aber das Bild hängt er sich an die Wand.«
»Und er hat nichts dagegen, dass du dich nackt hast malen lassen?« Ethan trank einen zweiten Schluck. Er stellte fest, dass der Champagner wirklich vom Feinsten war.
Sie lachte laut. »Nein, überhaupt nicht. Er ist fast Siebzig, weißt du. Da kann man öfter schwärmen. So lässt er mir eigentlich freie Bahn.« Ohne das Thema weiter auszuschmücken, bewegte sie sich auf das Podest zu, stieg hinauf und nahm auf dem Stuhl Platz.
Ethan schüttelte den Kopf. »He, was soll das denn bedeuten? Was hast du vor?«
»Ich will es noch einmal genießen.« Sie stellte das Glas neben sich und streckte ihren Körper. Die Arme brachte sie hinter den Kopf und legte die Hände im Nacken zusammen.
Ethan sagte nichts. Es war die Haltung, in der er sie auch nackt gemalt hatte. Er hätte sie auch nicht daran hindern können. Wenn sie sich mal was in den Kopf gesetzt hatte, führte sie es auch durch.
»Weißt du«, sagte sie mit einem bestimmten Lächeln und einem Zittertimbre in der Stimme, »ich habe mich bei dir immer verdammt wohl gefühlt. Ich will es heute zum letzten Mal genießen. Ob du mich nun malst oder nicht.«
Ethan Dunn begriff sie nicht. »Aber du sitzt doch schon dort. Du hast es genossen. Ich packe dein Bild ein, dann kannst du damit nach Hause fahren und es deinem Mann schenken. Das ist doch alles wunderbar. Völlig problemlos.«
Schon bevor sie sprach, wusste der Maler, dass er sie nicht hatte überzeugen können. Er kannte den Blick seines Modells. »Ich will es ganz
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