1190 - Geisterrache
genießen.«
»Nein, bitte nicht.«
»Doch, Ethan.«
»Nicht heute. Ich habe noch…«
»Wir haben es immer vorgehabt, mein Lieber, das wissen wir beide. Es stand unausgesprochen zwischen uns.« Während sie sprach, begann sie, das T-Shirt aus dem Rocksaum zu zupfen, und dabei ließ sie den Maler nicht aus den Augen. Ethan wusste nicht, was er unternehmen sollte. Auf der einen Seite reizte ihn die Frau schon. Er hätte sie längst im Bett haben können, und er hatte sich dies bis zum heutigen Tag aufgespart. Nur hatte er nicht damit rechnen können, dass dieser Tag so ablief. Da hatte schon jemand gesessen, ein Geist, eine Erscheinung, zu deren Existenz er mit beigetragen hatte.
»Hör auf. Nicht heute…«
»Nein, nein…«
Doris ließ sich nicht beirren. Sie streifte das Oberteil über ihren Kopf, um es danach geschickt zwei Mal um die Hand zu drehen, bevor sie es zu Boden fallen ließ.
Ihre schweren Brüste wurden von einem halben BH abgestützt. Er schimmerte weiß wie frisch gefallener Schnee auf der solariumbraunen Haut der Frau.
»Wir werden Champagner in deinem Bett trinken, Ethan. Es wird wie im Film sein. Der Maler und sein Modell. Das ist doch der Stoff, aus dem die Träume sind…«
Ethan Dunn sagte nichts. Er wusste, dass es nicht klappen würde. Offiziell waren sie allein, aber das stimmte nicht. Die andere existierte noch, und sie hielt sich in der Nähe auf, auch wenn sie nicht zu sehen war. Dunn war sensibel genug, um dies zu spüren. Es war nicht nur eine Annahme, er wusste es.
Es lag an diesem Flair, an dieser Veränderung, die ihn erreicht hatte. Er spürte sie außen und auch innen. Seine Unruhe steigerte sich von Sekunde zu Sekunde. Jemand war da und beobachtete ihn aus dem Unsichtbaren. Eine geheimnisvolle Aufpasserin aus dem Jenseits, die die Kontrolle über ihn bekommen hatte.
Auch Doris schien zu merken, dass etwas nicht mehr so war wie sonst. Sie hatte sich auf dem Stuhl sitzend gedreht, sodass sie Dunn direkt anschaute. Den BH hatte die Frau nicht mehr geöffnet. Sie zeigte sich verunsichert.
»Irgendetwas stimmt nicht, Ethan.«
Er zuckte die Achseln.
»Sag es mir!«
Ein dünnes Lächeln huschte über seine Lippen. »Ich denke, es ist besser, wenn du jetzt gehst.«
»Du willst mich loswerden.«
»Ja und nein. Ich bin mit meinen Gedanken schon beim nächsten Auftrag. Schau dir dein Bild an, es ist perfekt. Du kannst es so mitnehmen.«
»Das will ich auch nicht abstreiten, Ethan. Das Bild ist super. Aber das meine ich auch nicht. Es ist etwas anderes.« Sie sprach zunächst nicht weiter und griff wieder nach ihrem T-Shirt, das sie mit einer flinken Bewegung über den Kopf streifte. Noch immer befand sie sich auf dem Podest, schaute sich um und trank dabei hastig ihr Glas leer.
Sie sah nichts. Der Maler sah nichts, doch er spürte die Nähe der anderen. Da war das geheimnisvolle Flüstern in seiner unmittelbaren Nähe, ohne dass sich der Geist zeigte. Noch nicht zeigte. Gunhilla würde wieder erscheinen, das war ihm klar, und er wollte nicht, dass Doris sie sah.
»Du solltest jetzt wirklich gehen«, flüsterte er ihr zu. »Es ist besser für dich.«
Doris konnte manchmal stur sein. »Ja, das kann sein. Aber ich will nicht. Ich habe die Veränderung bemerkt. Es ist etwas anders geworden, verdammt…«
»Das wissen wir beide…«
»Was denn?« Nach dieser Frage stieg sie von dem kleinen Podest. Sie hatte ihre Jacke mitgenommen und streifte sie über. »Willst du mir das nicht sagen?«
»Verdammt, das kann ich nicht.«
Doris blieb stehen. Ihre Augen verengten sich. »Ja, es stimmt, hier ist einiges nicht, wie es sein sollte. Kann es sein, dass es auch kälter geworden ist?«
»Es ist kälter geworden«, erwiderte er schwach.
»Und warum?«
Herrgott, weil…
Nein, er sprach nicht. Er dachte nur. Aber auch diese Gedanken wurden zerstört, weil plötzlich die andere Stimme vorhanden war. Der Gruß aus einer anderen Welt in dieser sichtbaren. Es war eigentlich verrückt und nicht zu fassen. Er hätte auch losschreien können, aber das ließ er bleiben.
Und dann sah er, wie sich das Gesicht seines Modells veränderte. Sie hatte ihn bisher recht normal angeschaut. Das allerdings verschwand, denn plötzlich sah sie aus wie jemand, der eine unheimliche Entdeckung gemacht hatte und damit nicht fertig wurde.
»Was hast du, Doris?«
»Ethan…«
»Ja, ja…«
»Ethan«, wiederholte sie seinen Namen mit zittriger Stimme. »Ethan, sag mir, dass es nicht wahr ist, was ich da
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