1191 - Im Schattenreich der Yo
Weltraumfarm unter sich dahingleiten, eine Auswirkung der Corioliskraft. Das versetzte ihn in Panik. Anstatt mit dem Rückstoßrohr die Geschwindigkeit seines Sturzes zu verringern, versuchte er, das Tempo zu drosseln, mit dem die Zylinderwand unter ihm hinwegglitt - und arbeitete dadurch dem Tod in die Hände.
Leo Dürk sah die Not des Gegners. Jedesmal, wenn er das Rohr betätigte, geriet er stärker in den Sog der Zentrifugalkraft. Die Geschwindigkeit des Sturzes vergrößerte sich von Sekunde zu Sekunde. Die Gharwos hatten die Gefahr erkannt. Sie näherten sich schreiend und kreischend. Aber im Vergleich zu Mattsabin waren sie ungeschickt im Umgang mit den Rückstoßrohren. Sie hatten keine Chance, dem jungen Gharwo mehr zu helfen. „Los, Admiral, hinterher!" stieß Leo Dürk hervor. „Wir müssen ihn retten."
„Dein Wort in Teufels Ohr", keuchte Clifton Callamon. „Habe ich mich deswegen angestrengt, damit ich den Narren hinterher wieder retten kann?"
„Er stürzt ab!" plädierte Leo Dürk. „Soll er", antwortete der Admiral hart. „Solange er in der Nähe ist, sind wir unseres Lebens nicht sicher."
„Das kann ich nicht gelten lassen", knurrte der Waffenmeister.
Rasch entschlossen vektorierte er das Gravo-Pak. Mit der Geschwindigkeit einer Gewehrkugel schoß er hinter dem Abstürzenden her. Das kurze Gespräch mit Callamon war auf Interkosmo geführt worden. Jetzt schrie er im Armadaslang: „Du feuerst in die falsche Richtung! Sieh zu, daß die Lichtstreifen sich schneller unter dir hinwegbewegen, nicht langsamer!"
Die Antwort kam sofort. „Der Tod faßt nach dir, verdammter Fremdling, sobald ich mich abgefangen habe!
Niemand rettet dich jetzt mehr. Arnemar Lenx' Wort gilt für mich nicht. Ich bin sein..."
„Du bist ein Narr!" brüllte Leo Dürk. „Siehst du nicht, daß du abstürzt? Laß dein Rückstoßrohr in Ruhe. Ich komme dich holen!"
„Komm nur!" zischte der Gharwo. „Du glaubst nicht, daß man das Rohr als Waffe benützen kann?"
Leo Dürk achtete nicht auf seine Worte. Er schoß heran. Er kam, aus Mattsabins Sicht, von oben, von der Längsachse des Zylinders her. Leo erteilte der Steuereinheit ein paar zusätzliche Befehle. In Kürze, so' rechnete er, würde er den Gharwo abgefangen haben. Das Grävo-Pak mußte darauf vorbereitet werden, daß es von da an eine größere Masse zu befördern hatte.
Der Schuß kam völlig unerwartet. Keinen Augenblick lang hatte Leo Dürk damit gerechnet, daß Mattsabin seine hirnverbrannte Drohung wahr machen würde. Das blasse Leuchten des Rückstoßrohrs schoß ihm entgegen und hüllte ihn ein. Er empfand einen schwachen Bremsdruck, aber die Leistung des Rückstoßstrahlers war gering im Vergleich mit der einer herkömmlichen Waffe, und der Individualschirm absorbierte sie mühelos.
Das Grausige an dem Vorgang war, daß der Gharwo sich durch diese Tat endgültig das Todesurteil gesprochen hatte. Das Rohr war auf maximale Energieabgabe geschaltet. Der Schuß war geradewegs nach oben gezielt. Kaum hatte Mattsabin abgedrückt, da stürzte er vor Leo Dürks Augen wie ein Stein in die Tiefe. War die Chance des Waffenmeisters, den aufsässigen Gharwo zu retten, bisher schon recht gering gewesen, so reduzierte sie sich in diesem Augenblick bis auf Null.
Wie ein Geschoß raste Mattsabin in die Tiefe. Er war, als er den letzten, heimtückischen Schuß auf Leo abfeuerte, nur noch zweihundert Meter über der Fläche gefrorenen Erdreichs gewesen. Kaum eine Sekunde dauerte es, dann hatte sich sein Schicksal vollzogen.
Am Aufschlagort entstand eine dichte, dunkelbraune Staubwolke, die im Vakuum erstaunlich schnell wieder zu Boden sank. Inzwischen hatte Leo Dürk seinen waghalsigen Flug scharf abgebremst. Sacht wie ein sinkendes Blatt landete er auf der weiten Fläche. Alsbald griff die von der Zentrifugalkraft bewirkte Gravitation nach ihm. Er ging ein wenig in die Knie. Dann sah er sich um.
Keine zwanzig Meter von ihm entfernt lag der Krater, den Mattsabin beim Aufschlag gerissen hatte. Von dem jungen Gharwo selbst war keine Spur mehr zu sehen.
Langsam desaktivierte er den Individualschirm. Müde sprach er im Armadaslang in das Mikrofon des Helmfunks: „Kommt herunter. Der Wahnsinn hat sein Opfer gefordert.
3.
Sie landeten einer nach dem anderen, behutsam, fast ängstlich, mit mächtigen Feuerstößen aus ihren Rohren. Clifton Callamon schwebte über der Szene und gab Anweisungen, bis der letzte Gharwo sicher auf seinen sechs Beinen stand. Sie
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