1191 - Im Schattenreich der Yo
waren mit der Anlage des Zylinders in der Tat nicht vertraut. Sie hatten keine Ahnung, wie trickreich Coriolis- und Zentrifugalkraft waren.
Leo Dürk hatte abseits gestanden und der Landung wenig Beachtung geschenkt. Er hatte einen schalen Geschmack im Mund und fühlte sich innerlich ausgehöhlt, wie immer, wenn eine Kette vermeidbarer Ereignisse zum Tod eines intelligenten Wesens führten. Er war zornig auf Clifton Callamon, der ihm bei der Rettungsaktion nicht hatte helfen wollen. Aber er wußte, daß der Zorn bald verrauchen würde. Callamon hatte recht: Mattsabin wäre eine ständige, tödliche Gefahr für sie gewesen. Und schließlich hatte der Admiral dem Waffenmeister das Leben gerettet - zum zweitenmal. Wer mochte da lange zornig bleiben?
Die sechs Gharwos machten sich am Krater zu schaffen. Mit den langfingrigen Händen wühlten sie das Erdreich auf und schleuderten es beiseite. Nach zwanzig Minuten förderten sie erste Überreste des Abgestürzten zu Tage. Seine Raummontur hatte den Aufprall nicht überlebt. Mattsabin war, wenn nicht von der Wucht des Sturzes, an den Folgen der explosiven Dekompression gestorben.
Arnemar Lenx kam schweren Schrittes auf den Waffenmeister zu. Zum erstenmal, seit er ihn kannte, hörte Leo Dürk den Anführer der Gharwos mit schleppender Stimme sprechen. „Warum mußte .das geschehen?" fragte er. „Die Frage stelle ich mir auch", antwortete Leo. „Woher nahm er seinen Haß? Warum hörte er nicht auf deine Anweisungen?"
„Das meine ich nicht", sagte Arnemar Lenx dumpf und wandte sich ab.
Verblüfft starrte der Waffenmeister hinter ihm drein. Was hatte er mit diesen Worten gemeint.
Gab er ihm die Schuld für Mattsabins Schicksal? Worte, die der junge Gharwo ihm während des Sturzes zugeschrien hatte, kamen Leo Dürk wieder in den Sinn. „Arnemar Lenx' Wort gilt für mich nicht. Ich bin sein ..." Sein was? Leo hatte während der kritischen letzten Sekunden nicht mehr auf Mattsabins Äußerungen geachtet, er war mit der Rettungsaktion zu sehr beschäftigt gewesen. Jetzt jedoch gaben sie ihm zu denken. Welche Beziehung bestand zwischen dem Anführer der Gharwos und dem Aufsässigen? „Heh, vergeßt die Fähre nicht!" rief Clifton Callamon in diesem Augenblick.
Leo legte den Kopf in den Nacken.
Wahrhaftig, die Sache macht ihm obendrein noch Spaß, dachte er grimmig, während er des Admirals lebhaft gesprochene Worte auf sich einwirken ließ. TIENX hatte sich, während niemand auf sie achtete, immer weiter von der Zentralachse des Zylinders entfernt. Sie verfügte über keine Steuer- und Antriebsmechanismen mehr, mit der sie ihre Lineargeschwindigkeit jener der Zylinderwand hätte anpassen können. Unter dem Einfluß der Corioliskraft kam sie in einem weiten Bogen, wie in sanftem Gleitflug herab. Freilich bewegte sich der Boden unter ihr, auf den sie sich zielstrebig zubewegte, mit einer Geschwindigkeit, die um 100 m/sec größer war als die ihre.
TIENX war mehr als einen Kilometer entfernt, als sie aufschlug. Sie landete am Rand eines der zwölf Leuchtstreifen. Das Gefüge des Zylinders erzitterte unter der Wucht des Aufpralls.
Die Fähre wurde mitgerissen, aber ihre Struktur war den gewaltigen Beharrungskräften nicht gewachsen. Sie zerbarst in Hunderte von Trümmerstücken. Einige davon prasselten auf den Leuchtstreifen hernieder und zertrümmerten die Lampen, aus denen er sich zusammensetzte.
Staub und Erde wirbelten durch die Luft und senkten sich rasch wieder.
Es war, fand Leo Dürk, ein trauriger Anblick - ein würdevolles Nachspiel zu Mattsabins sinnlosem Tod.
Eine Minute verstrich. Die Vibrationen des Zylinders verklangen. Es wurde wieder still.
Plötzlich sagte eine schwere Stimme: „Was wird jetzt? Wir sind von allem abgeschnitten. Wir können weder vorwärts noch rückwärts."
Das hörte sich nach Arnemar Lenx an. Der Absturz der Fähre mußte ihm den letzten Rest Zuversicht geraubt haben. „Unsinn!" erklang Clifton Callamons scharfe Stimme. „Ihr habt eure Rückstoßrohre, wir unsere Gravo-Systeme. Die Expedition geht weiter. Weit kann das Planetarium des Heernx nicht mehr entfernt sein!"
Auf selten der Gharwos herrschte eine Zeitlang erstauntes Schweigen. Dann meldete sich Arnemar Lenx von neuem zu Wort. „Nach allem, was geschehen ist, wollt ihr weiter mit uns reisen?"
„Selbstverständlich. Das war die Vereinbarung, nicht wahr?"
Wenigstens einer, der seinen guten Mut nicht verloren hat, dachte Leo Dürk spöttisch.
Inzwischen wartete er
Weitere Kostenlose Bücher