1194 - Lady Sarahs Horror-Trip
saalartigen Empfangsbereich hineinging, der nicht mal zu groß war, ihr allerdings trotzdem so vorkam, weil sie die einzige Person war, die sich in diesem unteren Bereich aufhielt. Sie wartete einige Sekunden ab, und als sich dann nichts tat, drückte sie die Tür wieder zu.
Sie hatte plötzlich das Gefühl, eingeschlossen zu sein, aber das war wohl nur Einbildung.
Sie wollte das Innere des Hauses auf sich einwirken lassen und blieb zunächst stehen. Zuerst fiel ihr die breite Holztreppe auf, die sich nach oben wand. Die Decke war zwar düster, wirkte aber nicht zu bedrohlich, weil es genügend Fenster gab, durch die das Licht fallen konnte. Nur bei einem hing das Rollo zur Hälfte nach unten.
Sie schnupperte. Wollte wissen, ob das Haus bewohnt war. Menschen hinterlassen Spuren, die auch aus Gerüchen bestehen. In einem bewohnten Haus roch es anders als in einem leeren. Sarah hatte ein gutes Gespür dafür, das hier allerdings versagte. Sie hätte nicht behaupten können, dass das Haus bewohnt war.
Ein hohe Standuhr glänzte matt. Eine Kristallvase funkelte auf einer Kommode. Die Bilder an den Wänden wiesen dunkle Landschaftsmotive aus. Sie hätten auch Szenen aus einer Sumpflandschaft darstellen können.
Der alte Holzfußboden, auf dem Sarah stand, war von einer Patina überzogen, und von der Decke herab hing ein Kronleuchter, dessen Glasperlen wie schmutzige Diamanten schimmerten.
Ein leeres Haus?
Bis jetzt ja.
Aber das Haus hatte auch verschiedene Zimmer. Und zu Zimmern gehören Türen. Von dieser großen Diele führten drei Türen ab, von denen eine halb offen stand.
Wie für mich geschaffen, dachte Sarah, und sie glaubte auch daran, dass dies so war. Man wollte sie in das dahinter liegende Zimmer locken. Sie ging davon aus, dass sie dort den zweiten Hinweis zur Wahrheit finden konnte.
Sarah knöpfte ihren Mantel auf. Darunter trug sie ein dunkelblaues langes Kleid. Auf eine Kette hatte sie verzichtet und als einzigen Schmuck nur eine ovale Brosche aus Gelbgold angelegt. So ganz ohne konnte sie nicht gehen. Da war sie trotz ihres Alters ziemlich eitel. Vor der Brust hing noch die Brille, deren Lederband auch den Nacken der Frau berührte.
Ein letzter Blick. Alles klar. Niemand war da, um sie zu begrüßen oder aufzuhalten.
Sarah setzte sich mit kleinen Schritten in Bewegung. Immer wieder stieß sie mit dem Gummiende ihres Stocks auf und hinterließ dabei so gut wie kein Geräusch.
Wohl aber ihre Schritte. Durch ihr Gewicht fingen die alten Bohlen an zu stöhnen, als wollten sie sich beschweren, dass sie belastet wurden. Sarah war keine ängstliche Frau, eher vorsichtig, und auch jetzt versuchte sie, die Geräusche so gut wie möglich zu vermeiden. Sie hielt auch den Atem etwas zurück, als sie durch das fremde Haus auf die offene Tür zuging.
Sie konnte schon jetzt einen Blick in den dahinter liegenden Raum werfen. Viel war dort nicht zu sehen. Der Teil der Einrichtung wirkte auf sie völlig normal, denn sie entdeckte den Teil eines Bücherregals.
Die Tür war schnell erreicht. Sarah wollte auch nicht länger stehen bleiben. Mit ihrem Stock schob sie das Hindernis zur Seite, das bis zum Anschlag aufschwang.
Der erste Blick beruhigte Sarah. Es war niemand da, der im Sessel sitzend auf sie gewartet hätte.
Zwei standen so, dass sie sie von der Seite her einsehen konnte. Hochlehnige Ledersessel wie in den Londoner Clubs.
Sie stand tatsächlich auf der Schwelle zu einer kleinen Bibliothek oder einem Arbeitszimmer. Von den Wänden war nicht viel zu sehen. Drei von ihnen waren mit Regalen zugestellt, in denen sich Buchrücken an Buchrücken schmiegte. Nur die Tür bildete eine Unterbrechung. Die Wand, an der das Fenster lag, das nicht zugezogen war und so Licht einließ, war mit einer gelb-blassen Streifentapete bedeckt. Der hohe Spiegel fiel trotzdem auf. Vielleicht auch wegen seines breiten Goldrahmens, der die helle Fläche umgab. Er hing über einer Kommode, auf deren Platte Bilder standen.
Dazwischen war eine Kerze aufgestellt worden, deren Docht schwarz verkohlt hochragte. Die Kerze hatte gebrannt, und das nach unten laufende geschmolzene Wachs hatte sich erhärtet und Knubbel gebildet.
Ein großer Teppich dämpfte Sarahs Schritte. Ihre Neugierde war nicht gestillt. Hier hatte sie auch einen Grund, sich nach etwas Bestimmtem umzuschauen, und der Blick der Horror-Oma richtete sich auf die alte Kommode mit den drei Schubladen. Das Holz war dunkel. Der Form nach konnte die Kommode in die
Weitere Kostenlose Bücher