12 - Im Auge des Tigers
allerdings ohne eine Antwort zu bekommen.
»Hey, Muselman«, rief Brian beim Näherkommen. Dann kniete er in der Blutlache neben dem sterbenden Terroristen nieder. »Ich hab was für dich.«
Mustafa blickte verwirrt auf. Er wusste, dass der Tod na-he war. Zwar wünschte er ihn nicht herbei, aber er war im Innersten überzeugt, seine Glaubenspflicht erfüllt und Allahs Gesetz befolgt zu haben.
Brian packte die Hände des Terroristen und kreuzte sie über seiner blutüberströmten Brust. »Ich will, dass du das hier mitnimmst, wenn du zur Hölle fährst. Es ist Schweins-leder, von einem echten Iowa-Schwein.« Während er das Gesicht des Burschen fixierte, drückte Brian dessen Hände auf den Fußball.
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Mustafas Augen weiteten sich, spiegelten sein Begreifen –
und Entsetzen über die Ungeheuerlichkeit dieses religiösen Verstoßes, ausgerechnet in diesem Moment. Mustafa wollte die Arme wegziehen, doch die Hände des Ungläubigen waren stärker und widerstanden seiner Anstrengung.
»Ja, ganz recht. Ich bin Iblis persönlich, und du kommst zu mir.« Brian grinste, bis der Blick des Mannes leer wurde.
»Was soll das?«
»Später«, erwiderte Brian. »Komm jetzt.«
Sie kehrten zu der Stelle zurück, wo das Ganze begonnen hatte. Viele Frauen lagen dort am Boden, die meisten glücklicherweise nicht völlig reglos. Alle bluteten. »Such einen Drugstore. Ich brauche Verbände – und stell fest, ob jemand 911 angerufen hat.«
»Okay.« Dominic rannte los, und Brian kniete neben einer Frau um die dreißig nieder, die einen Schuss in die Brust abbekommen hatte. Wie die meisten Marines und sämtliche Offiziere des Corps besaß er Grundkenntnisse in erster Hilfe. Zuerst überprüfte er die Atmung. Sie schien in Ordnung zu sein. Die Frau blutete aus zwei Einschusslöchern im linken oberen Brustbereich. Sie hatte ein wenig rosafarbe-nen Schaum an den Lippen. Lungenschuss, aber kein schwerer. »Können Sie mich hören?«
Ein Nicken, dann ein geröcheltes »Ja.«
»Okay, Sie kommen schon wieder auf die Beine. Ich weiß, dass Sie Schmerzen haben, aber es wird alles gut.«
»Wer sind Sie?«
»Brian Caruso, Ma’am, United States Marines. Sie werden wieder gesund. Ich muss mich jetzt um die anderen kümmern.«
»Nein, warten Sie… ich…« Sie hielt ihn am Arm zurück.
»Ma’am, hier sind noch andere, die schwerer verletzt sind als Sie. Machen Sie sich keine Sorgen.« Damit machte er sich los.
Als Nächstes ging er zu einem Kind, ein kleiner Junge von vielleicht fünf Jahren. Er hatte drei Schüsse in den Rü-
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cken bekommen, und er blutete stark. Brian drehte ihn vorsichtig um. Die Augen des Kleinen standen offen.
»Wie heißt du, Kleiner?«
»David«, kam die überraschend klare Antwort.
»Okay, David, wir kriegen dich schon wieder hin. Wo ist deine Mom?«
»Ich weiß nicht.« Seine Stimme zitterte. Er machte sich anscheinend große Sorgen um seine Mutter.
»Ich mache mich gleich auf die Suche nach ihr, aber erst muss ich dich versorgen, einverstanden?« Brian blickte auf.
Gerade kam Dominic auf ihn zugerannt.
»Hier gibt’s keinen Drugstore!«, rief er.
»Dann hol mir irgendwas, T-Shirts oder so, ganz egal!«, befahl der Marine seinem Bruder. Dominic stürmte in den Bekleidungsladen, in dem Brian seine Stiefel gekauft hatte.
Ein paar Sekunden später kehrte er zurück, den Arm voller Sweatshirts mit verschiedenen Logos auf der Vorderseite.
In dem Moment traf der erste Polizist ein. Er hielt seine Dienstwaffe mit beiden Händen vor sich.
»Polizei!«, schrie der Cop.
»Hier rüber, verdammt!«, brüllte Brian zurück. In etwa zehn Sekunden war der Polizist bei ihm. »Stecken Sie die Waffe weg, Officer. Die bösen Jungs sind alle erledigt«, sagte Brian in gemäßigterem Ton. »Wir brauchen jeden verdammten Krankenwagen, den Sie in dieser Stadt haben
– und sagen Sie im Krankenhaus Bescheid, die sollen sich auf einen verfluchten Haufen Notfälle vorbereiten. Haben Sie einen Verbandskasten im Auto?«
»Wer sind Sie?«, fragte der Cop zurück, ohne seine Pistole ins Halfter zu stecken.
»FBI«, antwortete Dominic hinter ihm und hielt mit der linken Hand seinen Dienstausweis hoch. »Die Schießerei ist vorbei, aber es gibt eine Menge Verletzte. Benachrichtigen Sie die örtliche FBI-Dienststelle und so weiten Nun machen Sie schon, Officer, greifen Sie sich endlich Ihr Funkgerät, verdammt noch mal!«
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Wie die meisten amerikanischen Cops trug Officer Steve Barlow ein
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