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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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und ernteten ratloses Kopfschütteln. Dann widme-ten sich Frager und Befragte wieder der Stahlerzeugung, Automobilproduktion oder Postzustellung. Im Grunde waren sie gar nicht so schrecklich verängstigt, denn obwohl es insgesamt vier Attentate gegeben hatte, lebte die Mehrheit der Bevölkerung doch in größerer Entfernung von allen vier Tatorten. Die Menschen waren sich bewusst, dass derartige Ereignisse sehr selten vorkamen, und fühlten sich daher kaum persönlich bedroht. Allerdings waren sämtliche arbeitenden Männer im Land zutiefst überzeugt, dass irgendwo irgendwer einen richtigen Arschtritt verdiente.
    Gerry Hendley überflog wie jeden Morgen seine Zeitungen – die New York Times war eigens per Kurier geliefert worden, die Washington Post dagegen mit einem gewöhnlichen Lieferwagen. Die Leitartikel beider hätten gut von einem Journalisten und dessen Klon geschrieben sein können. Sie riefen zu Ruhe und Umsicht auf, wiesen darauf hin, dass es Aufgabe des Präsidenten sei, auf diese furchtbaren Ereignisse zu reagieren, und rieten jenem in gemäßigtem Tonfall, nichts zu überstürzen. An diesem Tag ging mit Sicherheit ein Schrei nach Rache durch die Nation, und Hendley hatte das gute Gefühl, dass er in der Lage sein 381

    würde, dieses Verlangen zu befriedigen. Der Haken daran war, dass, wenn er seine Sache gut machte, nie jemand davon erfuhr.
    Alles in allem würde es durchaus kein ereignisloser Samstag werden.
    Und der Parkplatz des Campus würde voll sein, was jedoch den Vorbeifahrenden gewiss nicht auffiel. Sollte eine Begründung erforderlich sein, würde man sich darauf beru-fen, die vier Massaker des Vortages hätten Instabilität auf den Finanzmärkten ausgelöst – was, wie sich später am Tag herausstellte, sogar der Wahrheit entsprach.
    Jack jr. nahm völlig richtig an, dass für diesen Tag keine Kleiderordnung vorgesehen war, und machte sich mit seinem Hummer 2 in Jeans, Pullover und Turnschuhen auf zur Arbeit. Die Leute vom Sicherheitspersonal waren natürlich in voller Uniform und ihre Gesichter versteinert wie eh und je.
    Tony Wills fuhr gerade seinen Computer hoch, als Jack um 8.14 Uhr das Büro betrat.
    »Hi Tony«, grüßte der junge Ryan ihn. »Was geht ab?«
    »Sehen Sie selbst. Die schlafen jedenfalls nicht«, teilte Ry-an seinem Lehrling mit.
    »Alles klar.« Er stellte seine Kaffeetasse auf den Schreibtisch und ließ sich auf seinem bequemen Drehstuhl nieder.
    Dann schaltete er seinen Computer an und gab die erforderlichen Passwörter ein, um die geschützten Daten abrufen zu können. Die morgendliche »Ausbeute« von der NSA – diese Leute kannten offenbar keinen Schlaf. Und es war auf den ersten Blick ersichtlich, dass die Personen, auf die Jack ein Auge hatte, die Nachrichten gespannt verfolgten.
    Es war zu erwarten gewesen, dass die Leute, an denen die NSA so reges Interesse zeigte, keine Freunde der Vereinigten Staaten von Amerika waren, aber dennoch konnte Jack seine Überraschung – ja, seinen regelrechten Schock – über den Inhalt einiger E-Mails nicht verbergen. Er erinnerte sich an die Gefühle, die er selbst gehegt hatte, als die Army der 382

    Vereinigten Staaten die Streitkräfte der mittlerweile wieder auseinander gebrochenen Vereinigten Islamischen Republi-ken auf ihrem Vormarsch nach Saudi-Arabien verfolgte, und an die plötzlich aufwallende Befriedigung, mit der er beobachtete, wie ein feindlicher Panzer durch direkten Beschuss zur Explosion gebracht wurde. Er hatte keinen Augenblick lang an die drei Männer gedacht, für die dieser Panzer soeben zum stählernen Grab geworden war. Sein Verstand sagte ihm, dass sie die Waffen gegen Amerika erhoben hatten, und so etwas kostete nun einmal seinen Preis.
    Teils war seine damalige Sichtweise auf seine Jugend zu-rückzuführen – ein Kind bezieht alles auf sich selbst und sieht sich als Zentrum des Universums, eine Illusion, die man erst später im Leben allmählich ablegt.
    Der Unterschied zu den aktuellen Ereignissen bestand jedoch darin, dass es sich bei den Menschen, die am Vortag zu Tode gekommen waren, größtenteils um unschuldige Zivilisten handelte, Unbewaffnete, überwiegend Frauen und Kinder. Sich an ihrem Tod zu weiden, war pure Barbarei. Doch genau das geschah hier. Zweimal hatte Amerika bereits Blut vergossen, um dem Heimatland des Islam zur Seite zu stehen, und dennoch gab es Saudis, die so redeten?
    »Verdammt«, flüsterte er. Prinz Ali war ganz anders. Er und Jacks Vater waren Freunde, echte

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