12 - Im Auge des Tigers
haben.«
»Sie gehen zu schnell vor. Zwei Herzinfarkte in weniger als einer Woche… Was, wenn die Gegenseite anfängt, sich Gedanken zu machen?«
»Aber das ist doch gerade der Zweck dieser Mission, Gerry – Sie wissen doch: Wir wollten auf den Busch klopfen.
Die sollen ruhig ein bisschen nervös werden. Bald wird sowieso wieder ihre Arroganz überhand nehmen, und sie 508
werden es als Zufall abtun. Wenn wir hier im Fernsehen oder im Kino wären, dächten sie, die CIA würde anfangen, mit harten Bandagen zu kämpfen. Aber wir sind hier nicht im Kino, und die Jungs wissen genau, dass sich die CIA nicht auf solche Sachen einlässt. Dem Mossad würden sie so etwas vielleicht zutrauen, aber vor den Israelis sind sie sowieso schon auf der Hut. – Moment mal!« Plötzlich kam Granger eine Idee. »Was, wenn gerade die in Rom diesen Mossad-Mann umgebracht haben?«
»Ich bezahle Sie nicht fürs Spekulieren, Sam.«
»Möglich wäre es aber.« Granger ließ nicht locker.
»Möglich wäre auch, dass die Mafia den armen Teufel auf dem Gewissen hat, weil sie ihn mit jemandem verwechselte, der ihnen Geld schuldete. Haus und Hof würde ich darauf allerdings nicht verwetten.«
»Jawohl, Sir.« Granger kehrte in sein Büro zurück.
Zur selben Zeit saß Mohammed Hassan al-Din im Hotel Excelsior in Rom vor seinem Computer und trank Kaffee.
Die Nachricht von Atefs Tod hatte ihn verstimmt. Der Mann war ein guter Anwerber gewesen, mit genau der richtigen Mischung aus Intelligenz, Überzeugungskraft und Engagement, um andere dazu zu bringen, sich der Sache zu verschreiben. Atef hatte sich gewünscht, auch selbst an vorderster Front zum Einsatz zu kommen, Leben zu nehmen und ein heiliger Märtyrer zu werden. Aber selbst wenn er darin gut gewesen wäre – jemand, der andere rekrutieren konnte, war wichtiger als jemand, der bereit war, sein Leben zu opfern. Es war schlichte Arithmetik, etwas, das gerade ein Ingenieur wie Atef hätte verstehen müssen. Was war sein Motiv gewesen? Gab es da nicht einen Bruder, der 1973 von den Israelis getötet worden war? Das lag allerdings lange zurück, aber es gab durchaus Menschen, deren Groll so lange anhielt. Doch nun war Atef bei seinem Bruder im Paradies. Für ihn war das erfreulich, für die Organisation hingegen keineswegs. Aber so stand es wohl ge-509
schrieben, tröstete sich Mohammed, und so sollte es sein.
Der Kampf würde weitergehen, bis der letzte ihrer Feinde tot war.
Er hatte ein paar geklonte Handys auf dem Bett liegen.
Diese Art von Mobiltelefonen konnte er benutzen, ohne fürchten zu müssen, abgehört zu werden. Sollte er den Emir anrufen? Es war eine Überlegung wert. Anas Ali Atefs Herzinfarkt war der zweite in weniger als einer Woche, und in beiden Fällen waren es junge Männer gewesen. Das war eigenartig, statistisch sehr unwahrscheinlich. Allerdings hatte Fa’ad zum fraglichen Zeitpunkt direkt neben Anas gestanden, sodass er nicht von einem israelischen Geheimagenten – ein Jude hätte vermutlich beide getötet, dachte Mohammed – erschossen oder vergiftet worden sein konnte. Nachdem es einen Augenzeugen gab, bestand wenig Anlass zu der Vermutung, irgendetwas könnte nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Und was den anderen anging – na ja, Uda hatte am Lebensstil eines Lüstlings Gefallen gefunden, und er war gewiss nicht der Erste, der an dieser Schwäche des Fleisches starb. Das alles deutete auf einen – wenn auch unwahrscheinlichen – Zufall hin und rechtfertigte keinen dringenden Anruf beim Emir persönlich. Allerdings machte er, Mohammed, sich in seinem Computer einen Vermerk zu den beiden Vorfällen. Nachdem er das Dokument verschlüsselt und gespeichert hatte, fuhr er den Computer herunter. Ihm war nach einem kleinen Spaziergang. Für römische Verhältnisse war es ein angenehmer Tag, für europäische eher heiß, aber Mohammed fühlte sich ganz wie zu Hause. Ein Stück die Straße entlang gab es ein nettes Restaurant, wo man im Freien sitzen konnte. Das Essen war zwar nur durchschnittlich, aber der Durchschnitt hier war besser als viele Spitzenrestaurants in der übrigen Welt. Man hätte vermuten können, alle italienischen Frauen wären fett, aber weit gefehlt – sie litten an der unter den Frauen im Westen weit verbreiteten Krankheit der Magerkeit. Manche von ihnen sahen aus wie die Kinder 510
in Westafrika – wie Knaben statt wie reife, erfahrene Frauen. Wirklich traurig. Statt sofort essen zu gehen, überquerte er zuerst die Via
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