12 - Im Auge des Tigers
bekamen nicht jeden Tag die Gelegenheit, einen Offizier des Mossad umzubringen, erst recht nicht einen Stützpunktleiter. Die Israelis würden immer ihre verhasstesten Feinde bleiben, wenn auch vielleicht nicht die gefährlichsten. »Gott war an diesem Tag auf unserer Seite.«
Die Greengold-Mission war für Mohammed geradezu ein Freizeitvergnügen gewesen, allenfalls ein wenig sportliche Übung. Streng genommen hatte überhaupt keine Notwendigkeit dazu bestanden. Das Treffen zu arrangieren und dem Israeli saftige Informationen zukommen zu lassen, war… ein Zeitvertreib gewesen. Nicht einmal besonders schwer zu bewerkstelligen. Allerdings würde es so bald keine derartige Gelegenheit mehr geben. Nein, der Mossad ließ seine Offiziere in nächster Zeit keinen Schritt ohne Be-wachung tun. Diese Leute waren keine Idioten – sie lernten aus ihren Fehlern. Dennoch – einen Tiger zu erlegen, war 170
eine Befriedigung. Ein Jammer, dass er, Mohammed, seiner Beute nicht das Fell abziehen konnte. Aber wo hätte er es aufhängen sollen? Er besaß kein festes Zuhause mehr, nur eine Reihe Unterschlupfmöglichkeiten von zweifelhafter Sicherheit. Nun, man konnte sich nicht über alles den Kopf zerbrechen. Dann bekam man überhaupt nichts geregelt.
Mohammed und seine Mitstreiter fürchteten den Tod nicht, nur das Scheitern. Und sie hatten durchaus nicht die Absicht zu scheitern.
»Ich brauche Informationen zu dem geplanten Treffen –
Ort, Zeit und so weiter. Die Reise kann ich arrangieren. Für Waffen sorgen unsere neuen Freunde?«
Ein Nicken. »Korrekt.«
»Und wie kommen unsere Krieger über die amerikanische Grenze?«
»Auch darum kümmern sich unsere Freunde. Allerdings werden wir ihnen noch auf den Zahn fühlen müssen, ob ihre Sicherheitsvorkehrungen auch zufrieden stellend sind.«
»Selbstverständlich.« Mit Sicherheitsvorkehrungen bei Einsätzen kannten sie sich aus. Dazu hatte es viele handfeste Lektionen gegeben. Mitglieder von Mohammeds Organisation – diejenigen, die das Pech gehabt hatten, dem Tod zu entrinnen – bevölkerten zahlreiche Gefängnisse in aller Welt. Das war ein Problem, und zwar eins, das die Organisation bisher nicht hatte lösen können. Bei einem Einsatz sein Leben zu lassen galt als edel und tapfer. Von einem Polizisten geschnappt zu werden wie ein gewöhnlicher Krimineller, war hingegen schändlich und erniedrigend.
Dennoch zogen einige von Mohammeds Mitstreitern diese Option anscheinend der Möglichkeit vor, zu sterben, ohne ihre Mission erfüllt zu haben. Sie empfanden die Gefängnisse im Westen oft nicht einmal als so furchtbar. Sie waren zwar unfrei, aber immerhin gab es regelmäßig Essen. Und die westlichen Nationen nahmen sogar Rücksicht auf ihre Speisevorschriften.
171
Diese Nationen waren so schwach und hirnlos, dass sie selbst ihren Feinden Gnade erwiesen – die diese bestimmt nicht erwiderten. Doch dafür konnte Mohammed nichts.
»Verdammt!«, fluchte Jack. Es war sein erster Tag auf der schwarzen, der inoffiziellen Seite des Hauses. In den Bereich der Hochfinanz hatte er sich rasch eingearbeitet, da er von Hause aus einiges mitbrachte. Sein Großvater Muller hatte ihn bei seinen unregelmäßigen Besuchen auf dem Familien-sitz gründlich angelernt. Er und Jacks Vater pflegten einen höflichen Umgang miteinander, doch Grandpa Joe war der Überzeugung, dass echte Männer im Brokergeschäft arbeiteten, nicht in der schmutzigen Sphäre der Politik – auch wenn er natürlich einräumen musste, dass sich sein Schwiegersohn in Washington nicht übel geschlagen hatte.
Trotzdem – all das Geld, das er an der Wall Street hätte machen können… Was konnte einen Mann nur dazu bewegen, dem den Rücken zu kehren? Muller hatte Little Jack gegenüber natürlich nie etwas Derartiges geäußert, aber es lag auf der Hand, wie er darüber dachte. Jedenfalls hätte Jack jederzeit in einem der großen Handelshäuser einen Einsteigerjob bekommen und sich wahrscheinlich ziemlich schnell hocharbeiten können. Doch mit den Finanzgeschäften hatte er abgeschlossen, und nun befand er sich in der Einsatzabteilung des Campus – die zwar nicht wirklich so hieß, aber von denen, die dort arbeiteten, so genannt wurde. »So gut sind die?«
»Was gibt’s, Jack?«
»Material von der NSA.« Er reichte das Blatt hinüber. To-ny Wills las es.
Durch ein abgehörtes Telefonat war jemand identifiziert worden, von dem man wusste, dass er Verbindungen zu Terroristen unterhielt. Welche Funktion er
Weitere Kostenlose Bücher