Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
hatte ihn in Zivilkleidung gesteckt – und wenn er unter solchen Umständen Menschen tötete, war er ein Spion, kein Offizier des United States Marine Corps. Letzteres empfand er als ehrenhaften Job, Ersteres hatte hingegen verdammt wenig mit Ehre zu tun –
    wenigstens war ihm beigebracht worden, so zu denken. Es gab auf dieser Welt kein Feld der Ehre mehr, in der Realität ging es nicht zu wie bei einem Duell, in dem Männer mit identischen Waffen auf freiem Feld gegeneinander antraten.
    Nein, er war dazu ausgebildet worden, seine Operationen so zu planen, dass der Feind nicht die geringste Chance erhielt, denn er führte das Kommando über Männer, deren Leben zu bewahren er geschworen hatte. Im Gefecht herrschten Regeln. Zwar unbarmherzige Regeln, aber dennoch Regeln. Jetzt verlangte man von ihm, diese Regeln über Bord zu werfen und – ja, was eigentlich zu werden?
    Ein bezahlter Mörder? Die Zähne eines imaginären wilden Tieres? Der maskierte Rächer wie in irgendeinem alten Schwarzweißfilm? Das passte nicht in sein wohl geordnetes Realitätsbild.
    Als er nach Afghanistan geschickt wurde, da hatte er sich keineswegs als Fischverkäufer verkleidet auf die Straße gestellt. In diesen gottverdammten Bergen gab es überhaupt keine Straße. Das Ganze erinnerte eher an eine Großwildjagd, wobei allerdings das Wild über eigene Waffen verfügte. Solch eine Jagd war etwas Ehrenhaftes, und er hatte für seinen Einsatz die Anerkennung seines Landes erhalten: eine Auszeichnung für Tapferkeit, von der er in diesem Moment nicht recht wusste, ob es passend wäre, sich damit zu schmücken.
    Alles in allem eine ganze Menge zu überdenken – und das bei der zweiten Tasse Kaffee des Tages.
    »Herrgottnochmal, Enzo«, flüsterte er.
    »Brian, weißt du, was der Traum eines jeden Polizisten ist?«, fragte Dominic.
    168

    »Das Gesetz zu brechen und ungeschoren davonzukom-men?«
    Dominic schüttelte den Kopf. »Ich hatte doch dieses Gespräch mit Gus Werner. Nein, nicht das Gesetz zu brechen, sondern nur ein einziges Mal das Gesetz zu sein. Gottes Racheschwert, so hat er es genannt – die Schuldigen nieder-zustrecken, ohne dass einem die Juristen und dieser ganze Scheiß in die Quere kommen. Ganz allein Gerechtigkeit walten lassen. Das kommt nicht oft vor, heißt es, aber weißt du, da unten in Alabama, da hatte ich solch eine Gelegenheit, und das war schon ein gutes Gefühl. Man muss nur sicher sein, dass man den Richtigen erwischt.«
    »Wie kann man da sicher sein?«, fragte Aldo.
    »Wenn du dir nicht sicher bist, ziehst du die Mission eben nicht durch. Die können dich schließlich nicht dafür hängen, dass du keinen Mord begangen hast.«
    »Dann ist es also Mord?«
    »Nicht, wenn der Hundesohn es verdient hat – nein.« Das war eher ein ethischer Aspekt, aber wichtig für jemanden, der bereits unter dem Schutz des Gesetzes einen Mord begangen und davon keine Albträume bekommen hatte.
    »Sofort?«
    »Ja. Wie viele Männer haben wir bisher?«, fragte Mohammed.
    »Sechzehn.«
    »Ah.« Mohammed nahm einen kleinen Schluck von dem guten französischen Weißwein aus dem Loire-Tal. Sein Gast trank Perrier mit Zitrone. »Sprachkenntnisse?«
    »Ausreichend, denken wir.«
    »Hervorragend. Sagen Sie ihnen, sie sollen sich zur Abrei-se bereit machen. Wir werden sie mit dem Flugzeug nach Mexiko schicken. Dort sollen sie sich mit unseren neuen Freunden treffen und nach Amerika Weiterreisen. Und wenn sie dort angekommen sind, können sie ihre Arbeit tun.«
    169

    »Insch ’Allah«, bemerkte der andere. So Gott will.
    »Ja, so Gott will«, wiederholte Mohammed auf Englisch, um seinem Gast in Erinnerung zu rufen, welche Sprache er benutzen sollte.
    Die beiden saßen in einem Straßenlokal mit Blick auf den Fluss. Sie hatten einen Tisch ganz am Rand gewählt. Niemand war in der Nähe. Auf einen Beobachter hätte die Szene wie eine ganz alltägliche Unterhaltung gewirkt – zwei gut gekleidete Männer, ein Dinner unter Freunden, keinerlei Anzeichen für Heimlichtuerei oder Verschwörung. Das erforderte einige Konzentration, denn ein gewisses Maß an konspirativem Gehabe war bei solchen Machenschaften schwer zu vermeiden. Doch für beide Männer waren derartige Treffen nichts Neues.
    »Und, was war es für eine Erfahrung, den Juden in Rom zu töten?«
    »Höchst befriedigend, Ibrahim, wie sein Körper erschlaffte, als ich ihm das Rückenmark durchtrennte. Und dann die Überraschung in seinem Gesicht…«
    Ibrahim grinste breit. Sie

Weitere Kostenlose Bücher