Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
wenn sie die Polizisten, denen sie begegneten, verstohlen im Auge behielten – jeder Einzelne von ihnen verstand sich darauf, 180

    niemals die Aufmerksamkeit einer Person in Polizeiuniform auf sich zu ziehen. Die französische Polizei stand in dem Ruf, besonders gründlich zu sein, was den neuen Gästen wenig zusagte. Sie reisten momentan mit Pässen aus Qatar, die ziemlich sicher waren, doch selbst ein Pass, den der französische Außenminister persönlich ausgestellt hätte, würde gezielten Nachforschungen nicht standhalten. Und so hielten sich die Männer bedeckt. Man hatte sie angewiesen, sich nicht zu oft umzublicken, stets höflich zu sein und möglichst jedem, der ihnen über den Weg lief, mit einem Lächeln zu begegnen. Zu ihrem Glück war in Frankreich gerade Touristensaison, und Paris war voll gestopft mit Leuten wie ihnen, von denen viele ebenfalls kaum Franzö-
    sisch sprachen. Die Pariser betrachteten die Fremdlinge mit Herablassung, ihr Geld hingegen verachteten sie keineswegs.
    Das Frühstück am nächsten Morgen hatte nicht mit weiteren sprengstoffgeladenen Enthüllungen geendet. Im Unterricht folgten die beiden Caruso-Brüder Pete Alexanders Ausführungen, wobei sie sich zusammenreißen mussten, um nicht einzunicken – besonders aufregend kamen ihnen diese Lektionen nämlich nicht vor.
    »Langeweile?«, fragte Pete beim Mittagessen.
    »Na ja, weltbewegende Erkenntnisse sind das nicht«, antwortete Brian nach kurzem Zögern.
    »Sie werden feststellen, dass die Sache ein klein wenig anders aussieht, wenn man die Zielperson im Ausland in einer fremden Stadt, zum Beispiel auf einem Markt unter freiem Himmel, unter Tausenden in der Menge ausmachen muss. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass man es versteht, sich selbst unsichtbar zu machen. Daran werden wir heute Nachmittag arbeiten. Haben Sie damit schon Erfahrung, Dominic?«
    »Kaum. Nur die Grundlagen. Die Zielperson nicht direkt anblicken. Seine Kleidung verändern – Wendejacken, ver-181

    schiedene Krawatten, sofern die Umgebung eine Krawatte erfordert. Und man muss sich bei der Beobachtung mit anderen abwechseln. Aber was das angeht, werden wir hier nicht die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung haben wie beim Bureau, oder?«
    »Bei weitem nicht. Sie bleiben also schön auf Abstand, bis der geeignete Zeitpunkt für den Zugriff gekommen ist.
    Dann nähern Sie sich der Zielperson so rasch, wie die Um-stände es erlauben…«
    »… und legen den Typen um?«, fragte Brian.
    »Ihnen ist immer noch unwohl bei der Sache?«
    »Noch bin ich nicht abgesprungen, Pete. Sagen wir, ich habe meine Bedenken. Belassen wir es dabei.«
    Alexander nickte. »Einverstanden. Wir schätzen Mitarbeiter, die selbstständig denken können, und uns ist klar, dass das auch seine Nebenwirkungen hat.«
    »So kann man es auch sehen. Was, wenn sich rausstellt, dass der Typ, den wir beseitigen sollen, in Wirklichkeit ganz okay ist?«, fragte der Marine.
    »Dann ziehen Sie sich zurück und erstatten Bericht. Theoretisch ist ein solcher Irrtum nicht auszuschließen, aber praktisch ist es meines Wissens noch nie dazu gekommen.«
    »Noch nie?«
    »Nicht ein einziges Mal«, versicherte Alexander.
    »Makellose Ergebnisse sind mir suspekt.«
    »Wir bemühen uns um Sorgfalt.«
    »Was gibt es da eigentlich für Regeln? Okay, ich brauche vielleicht nicht zu wissen – wenigstens vorerst nicht –, wer uns losschickt, damit wir jemanden umbringen, aber es wäre schon nett zu erfahren, nach welchen Kriterien da für irgend so einen Wichser das Todesurteil gefällt wird – Sie verstehen?«
    »Es handelt sich in jedem Fall um eine Person, die – direkt oder indirekt – den Tod amerikanischer Bürger verursacht hat oder unmittelbar in Pläne involviert ist, nach denen das in der Zukunft der Fall wäre. Wir sind nicht hinter Leuten 182

    her, die in der Kirche zu laut singen oder die Leihfrist in der Bücherei überschritten haben.«
    »Sie reden von Terroristen, stimmt’s?«
    »Yep«, erwiderte Pete knapp.
    »Warum verhaften Sie sie nicht einfach?«, war Brians nächste Frage.
    »So, wie Sie es in Afghanistan getan haben?«
    »Das war was anderes«, protestierte der Marine.
    »Inwiefern?«, fragte Pete.
    »Zum Beispiel weil wir als Truppe in Uniform im Einsatz waren und unter dem Kommando legal konstituierter Befehlshaber handelten.«
    »Sie haben auch Eigeninitiative entwickelt, nicht wahr?«
    »Von einem Offizier wird erwartet, dass er seinen Verstand einsetzt. Meine

Weitere Kostenlose Bücher