12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
sagte, er wolle ihn ganz allein erlegen, wenn man ihm seine Büchse gebe. Man gab sie ihm, und er ging in die dunkle Nacht hinaus. Nach einiger Zeit fielen Blitze vom Himmel, und es krachten zwei Schüsse. Nach einigen Minuten kam er. Er hatte das Fell des Löwen umgeworfen, stieg auf sein Pferd und ritt durch die Luft davon.“
„Hat ihn keiner halten wollen?“
„Doch; aber die Männer griffen in die Luft. Und als man ihm nachjagte, fielen drei Kugeln vom Himmel, welche die drei besten Pferde töteten.“
„Woher weißt du das?“
„Der Bote erzählte es, welchen Zedar Ben Huli an unseren Scheik sandte. Glaubst du nun, daß es der Scheïtan war?“
„Er war es.“
„Was würdest du tun, wenn er dir erschiene?“
„Ich würde auf ihn schießen und dazu die heilige Fatcha beten.“
Ich trat um die Ecke und stand vor ihnen.
„So bete sie!“ gebot ich ihm.
„Allah kerihm!“
„Allah il Allah, Mohammed rasuhl Allah!“
Diese beiden Ausrufe waren alles, was sie hervorbrachten.
„Ich bin der, von dem du erzählt hast. Du nennst mich den Scheïtan; wehe dir, wenn du ein Glied regst, um dich zu verteidigen! Halef, nimm ihnen die Waffen!“
Sie ließen dies ruhig geschehen; ich meinte, ihre Zähne klappern zu hören.
„Binde ihnen die Hände mit ihren eigenen Gürteln!“
Damit war Halef bald fertig, und ich konnte fest überzeugt sein, daß die Knoten nicht aufgehen würden.
„Jetzt beantwortet mir meine Fragen, wenn euch euer Leben lieb ist! Von welchem Stamm seid ihr?“
„Wie sind Obeïde.“
„Euer Stamm geht morgen über den Tigris?“
„Ja.“
„Wie viele Krieger habt ihr?“
„Zwölfhundert.“
„Womit sind sie bewaffnet?“
„Mit Pfeilen und Flinten mit der Lunte.“
„Habt ihr auch andere Flinten und vielleicht Pistolen?“
„Nicht viele.“
„Wie setzt ihr über – auf Kähnen?“
„Auf Flößen; wir haben keine Kähne.“
„Wie viele Krieger haben die Abu Hammed?“
„So viel wie wir.“
„Wie sind diese bewaffnet?“
„Sie haben mehr Pfeile als Flinten.“
„Und wie viele Männer bringen euch die Dschowari?“
„Tausend.“
„Haben diese Pfeile oder Flinten?“
„Sie haben beides.“
„Kommen bloß eure Krieger herüber, oder werdet ihr diese Gegend auch mit euren Herden überziehen?“
„Nur die Krieger kommen.“
„Warum wollt ihr die Haddedihn bekriegen?“
„Der Gouverneur hat es uns befohlen.“
„Er hat euch nicht zu befehlen, ihr gehört unter den Statthalter von Bagdad. Wo sind eure Pferde?“
„Dort.“
„Ihr seid meine Gefangenen. Bei jedem Versuch, zu entkommen, werde ich euch niederschießen. Nazar, kommt!“ – Die beiden anderen kamen herbei.
„Bindet diese beiden Männer hier fest auf ihre Pferde!“
Die Obeïde ergaben sich in ihr Schicksal; sie stiegen ohne Weigerung auf und wurden auf ihren Tieren so befestigt, daß an eine Flucht gar nicht zu denken war.
Hierauf gab ich den Befehl:
„Jetzt holt unsere Pferde drüben herab und bringt sie an den Eingang zum Tal. Ibn Nazar, du bleibst hier in El Deradsch zurück, der andere aber mag Halef die Gefangenen nach dem Lager transportieren helfen.“
Die beiden Haddedihn verschwanden, um unsere Pferde am äußersten Abhang des Tales hinabzuleiten. Dann stiegen wir auf und kehrten zurück, während Ibn Nazar auf seinem Posten verblieb.
„Ich werde euch voraneilen; kommt so schnell wie möglich nach.“
Mit dieser Weisung gab ich meinem Pferd die Schenkel. Ich tat dies aus zwei Gründen: erstens war meine Gegenwart im Lager nötig, und zweitens hatte ich heute einmal Gelegenheit, das Geheimnis und den höchsten Leistungsgrad meines Rappen zu probieren. Er flog leicht, wie ein Vogel, über die Ebene dahin; der schnelle Lauf schien ihm sogar Vergnügen zu machen, denn er wieherte einigemal freudig auf. Plötzlich legte ich ihm die Hand zwischen die Ohren –
„Rih!“ –
Auf diesen Ruf legte er die Ohren zurück; er schien länger und dünner zu werden, schien zwischen den Luftteilchen hindurchschießen zu wollen. Dem bisherigen Galopp hätten hundert andere auch gute Pferde zu folgen vermocht, aber gegen das, was nun erfolgte, war er wie die Windstille gegen eine rasende Bö, wie der Gang einer Ente gegen den Flug einer Schwalbe. Die Geschwindigkeit einer Lokomotive oder eines Eilkameles hätte nicht vermocht, diejenige dieses Pferdes zu erreichen, und dabei war der Lauf desselben überaus glatt und gleichmäßig. Es war wirklich nicht zu viel, was
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