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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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meinte Selek, „ich war in den Bergen über Bozan hinauf, und habe dir etwas mitzuteilen.“
    „Sprich!“
    „Dürfen es alle hören?“
    „Alle.“
    „Wir glaubten, daß der Mutessarif von Mossul fünfhundert Türken nach Amadijah legen wolle, zum Schutz gegen die Kurden. Dieses aber ist nicht wahr. Die zweihundert Mann, welche von Diarbekir kommen, sind über Urmeli marschiert und halten sich in den Wäldern des Tura Gharah versteckt.“
    „Wer sagte das?“
    „Ein Holzfäller aus Mungeyschi, den ich traf. Er wollte hinab nach Kana Kujjunli, wo eines seiner Flöße liegt. Und die dreihundert Mann aus Kerkjuk befinden sich auch nicht auf dem Weg nach Amadijah. Sie sind über Altun Kiupri nach Arbil und Girdaschir gegangen und stehen jetzt oberhalb Mar Mattei am Ghazirfluß.“
    „Wer sagte dir dieses?“
    „Ein Zibarkurde, der am Kanal gereist ist, um über Bozan nach Dohuk zu gehen.“
    „Die Zibar sind zuverlässige Leute; sie lügen nie und hassen die Türken. Ich glaube, was die beiden Männer gesagt haben. Kennst du das Tal Idiz am Ghomel, seitwärts oberhalb Kaloni?“
    „Nur wenige kennen es, ich aber bin sehr oft dort gewesen.“
    „Kann man von hier aus Pferde und Rinder hinbringen, um sie dort zu verbergen?“
    „Wer den Wald genau kennt, dem wird es gelingen.“
    „Wie lange Zeit würde man brauchen, um unsere Weiber und Kinder und auch unsere Tiere dort unterzubringen?“
    „Einen halben Tag. Geht man über Scheik Adi, so steigt man hinter dem Grab des Heiligen die enge Schlucht empor, und kein Türke wird bemerken, was wir tun.“
    „Du bist der beste Kenner dieser Gegend. Ich werde weiter mit dir sprechen, bis dahin aber schweigst du gegen jedermann. Ich wollte dich bitten, hier den Emir zu bedienen, aber du wirst wohl anderweit gebraucht.“
    „Darf ich ihm meinen Sohn senden?“
    „Tue es!“
    „Spricht er ein gutes Kurdisch?“ fragte ich.
    „Er versteht Kurmangdschi und auch Zaza.“
    „So sende mir ihn, er wird mir sehr willkommen sein!“
    Selek ging, und es wurde die Vorbereitung zu dem Mahl getroffen. Da die Gastfreundschaft der Dschesidi eine unbeschränkte ist, so waren bei demselben wohl gegen zwanzig Personen beteiligt, und Mohammed Emin und mir zu Ehre wurde eine Tafelmusik veranstaltet. Die Kapelle bestand aus drei Männern, welche die Thembure, Kamantsche und die Bülure spielten, drei Instrumente, welche man mit unserer Flöte, Gitarre und Violine vergleichen könnte. Die Musik war sanft und melodiös; überhaupt bemerkte ich noch später, daß die Dschesidi einen besseren musikalischen Geschmack besitzen, als die Anhänger des Islam.
    Während des Essens traf der Sohn Seleks ein, mit dem ich mich in mein Gemach zurückzog, um mit seiner Hilfe das Manuskript Pir Kameks zu studieren. Der geistige Horizont des jungen Mannes war ein sehr enger, doch fand ich bei ihm hinreichend Aufschluß über alles, was ich von ihm zu wissen begehrte. Pir Kamek war der unterrichtetste unter den Teufelsanbetern, und nur bei ihm konnte ich die Erfahrung und die Anschauungsweise finden, mit welcher er mich überrascht hatte. Die andern waren alle befangener, und ich durfte mich nicht wundern, daß sie das Symbol für die Sache selbst nahmen und an ihren Gebräuchen mehr aus Gewohnheit und blindem Glauben als aus innerer Überzeugung hingen. Das Mysteriöse ihrer Anbetungsform war es, von dem sie festgehalten wurden, wie ja der Orient sich mehr dem Dunkeln, dem Geheimnisvollen zuneigt, als dem klar und offen zu Tage Liegenden.
    Unsere Unterhaltung verlief keineswegs ungestört, denn in fast regelmäßigen Zwischenräumen von einigen Minuten ertönte das widerliche, markdurchdringende Geschrei des Esels, welches auf die Dauer gar nicht auszuhalten war. Es wurde ertragen und sogar gelacht, so lange noch reges Leben im Dorf herrschte, wo immer noch neue Pilger ankamen; als aber das Geräusch doch endlich mehr und mehr verstummte und man sich zur Ruhe begab, wurden die überlauten Interjektionen des Graurocks geradezu unerträglich, und es erhoben sich verschiedene Stimmen, welche zunächst nur verdrossen murrten, jedoch bald in lautes Zanken übergingen.
    Statt den Esel abzuschrecken, schienen diese ärgerlichen Zurufe ihn zu immer angestrengteren Leistungen zu begeistern; er wurde auf seine Triller ganz versessen; die Pausen zwischen ihnen wurden immer kürzer, und endlich vereinigten sich die Schreie zu einer Symphonie, welche geradezu infernalisch genannt werden mußte.
    Eben erhob ich

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