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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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unserer Mundarten verzeichnet. Das ist sein Buch.“
    „Das wäre ja köstlich! Wo befindet sich dieses Buch?“
    „In seiner Wohnung.“
    „Und wo ist diese?“
    „In meinem Haus. Pir Kamek ist ein Heiliger. Er wandert im Land umher und ist überall hochwillkommen. Ganz Kurdistan ist seine Wohnung, aber seine Heimat hat er bei mir aufgeschlagen.“
    „Denkst du, daß er dieses Buch mir einmal zeigen werde?“
    „Er wird es sehr gern tun.“
    „Ich werde ihn sofort darum bitten! Wohin ist er gegangen?“
    „Bleibe! Du wirst ihn nicht finden, denn er ist gegangen, um über die Seinen zu wachen. Dennoch aber sollst du das Buch erhalten; ich werde es dir holen. Vorher aber versprecht mir, daß ihr bleiben wollt!“
    „Du meinst, wir sollen den Ritt nach Amadijah aufschieben?“
    „Ja. Es waren drei Männer aus Kaloni da. Sie gehören zu dem Zweig Badinan des Stammes Missuri und sind gewandt, tapfer, klug und mir treu ergeben. Ich habe sie ausgesandt nach Amadijah, um die Türken auszukundschaften. Sie werden zugleich versuchen, Amad al Ghandur zu finden; das habe ich ihnen ganz besonders empfohlen, und bis sie Nachricht bringen, mögt ihr es euch bei mir gefallen lassen!“
    Damit waren wir herzlich gern einverstanden; Ali Bey umarmte uns vor Freude nochmals, als wir ihm dies mitteilten, und bat uns:
    „Kommt jetzt mit mir, damit auch mein Weib euch sehe!“
    Ich war erstaunt über diese Einladung, machte aber später die Erfahrung, daß die Dschesidi ihre Frauen bei weitem nicht so abschließen, wie es die Mohammedaner tun. Sie führen ein patriarchalisches Leben, und nie bin ich im Orient so an das heimatliche, deutsche Familienleben erinnert worden, als bei ihnen. Natürlich besaßen die gewöhnlichen Leute nicht die Klarheit der religiösen Ansicht wie Pir Kamek, aber dem falschen Griechen, dem schachernden, sittenlosen Armenier, dem rachsüchtigen Araber, dem trägen Türken, dem heuchlerischen Perser und dem raubsüchtigen Kurden gegenüber mußte ich den fälschlicherweise so übel beleumundeten ‚Teufelsanbeter‘ achten lernen. Sein Kultus schwankt zwischen Chaldäismus, Islam und Christentum, aber nirgends dürfte das Letztere einen so fruchtbaren Boden finden, wie bei den Dschesidi, falls die frommen Sendboten es verstehen wollten, den Sitten und Gebräuchen derselben ein klein wenig Rechnung zu tragen.
    Draußen vor dem Haus saß der Buluk Emini neben seinem Esel. Beide speisten, der Esel Gerste und der Baschi-Bozuk getrocknete Feigen vom Sindschar, von denen er mehrere Schnüre vor sich liegen hatte. Und dabei erzählte er kauend den zahlreich um ihn Stehenden von seinen Heldentaten. Halef gesellte sich zu ihm, wir drei andern aber gingen nach der Abteilung des Hauses, welche der Gebieterin zur Wohnung diente.
    Sie war sehr jugendlich und trug einen kleinen Knaben auf dem Arm. Ihr schönes schwarzes Haar war in viele, lang herabhängende Zöpfe geflochten, und eine Anzahl funkelnder Goldstücke bedeckte ihre Stirn.
    „Seid willkommen, ihr Herren!“ sagte sie in schmuckloser, ungekünstelter Einfachheit und reichte uns die Rechte.
    Ali Bey nannte uns ihren Namen und ihr dann auch die unsrigen. Ihr Name ist mir leider wieder entfallen. Ich nahm ihr den Knaben vom Arm und küßte ihn. Sie schien mir das hoch anzurechnen und darauf recht stolz zu sein. Der kleine Bey war allerdings auch ein nettes Kerlchen, höchst sauber gehalten und ganz unähnlich jenen dickleibigen und frühalten orientalischen Kindern, welche man besonders häufig bei den Türken findet. Ali Bey fragte mich, wo wir essen wollten; ob in unserm Gemach oder hier in der Frauenwohnung, und ich entschloß mich sofort für das Letztere. Dem kleinen Teufelsanbeter schien es bei mir recht gut zu gefallen; er blitzte mich mit seinen dunklen Äuglein neckisch an, zauste mir im Bart herum, strampelte vor Vergnügen mit Armen und Beinen und stammelte zuweilen ein Wort, welches weder er noch ich verstand. Wir standen in Beziehung auf das Kurdische auf ganz gleicher Rangstufe, und darum gab ich ihn auch während des Mahles nicht her, was mir die Mutter dadurch vergalt, daß sie mir den besten Teil der Speisen vorlegte und mir nach Tisch ihren Garten zeigte.
    Am besten schmeckte mir der Kursch, ein Gericht aus Sahne, welche im Ofen gebacken und dann mit Zucker und Honig übergossen wird, und am besten gefiel mir im Garten jene wundervolle feuerfarbene Baumblüte, bei welcher sich immer Blume neben Blume erzeugt und die von den Arabern Bint

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