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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welcher der Führer wieder abstieg. Er deutete nach rechts.
    „Hier kommt man durch den Wald nach Scheik Adi, aber nur ein Dschesidi weiß den Weg zu finden. Und hier links geht es in das Tal hinab.“
    Er schob die Büsche auseinander, und nun sah ich vor mir einen weiten Talkessel, dessen Wände steil emporstiegen und zum Auf- und Niedersteigen nur die eine Stelle boten, an welcher wir uns befanden. Wir kletterten, die Pferde am Zügel führend, hinab. Unten angelangt, konnte ich das Tal in seiner ganzen Breite überschauen. Es war groß genug, um mehreren tausend Menschen eine Zuflucht zu bieten, und verschiedene Höhlenöffnungen nebst anderen Anzeichen ließen vermuten, daß es vor noch nicht sehr langer Zeit bereits Bewohner gehabt habe. Die Sohle des Kessels war mit einem kräftigen Graswuchs überzogen, welcher selbst das Verbergen von Herden hier erleichterte, und einige künstlich in den Boden gegrabene Löcher hatten Trinkwasser genug für viele durstige Kehlen.
    Wir ließen die Pferde weiden und legten uns in das Gras. Alsbald begann ich das Gespräch mit der Bemerkung:
    „Das ist ein Versteck, wie die Natur es nicht praktischer anlegen konnte.“
    „Es hat diesem Zweck auch bereits gedient, Effendi. Bei der letzten Verfolgung der Dschesidi haben über tausend Menschen hier ihre Sicherheit gefunden. Darum wird kein Angehöriger unseres Glaubens diesen Ort verraten. Man weiß ja nicht, ob man ihn wieder brauchen wird.“
    „Das scheint nun jetzt der Fall zu werden.“
    „Ich weiß es. Aber es handelt sich jetzt nicht um eine allgemeine Verfolgung angeblich um des Glaubens willen, sondern nur um eine Maßregel, welche den Zweck hat, uns auszuplündern. Der Mutessarif sendet fünfzehnhundert Mann gegen uns, die uns unerwartet überfallen sollen; aber er wird sich täuschen. Wir haben seit sehr langen Jahren das Fest nicht gefeiert; darum wird kommen, wer nur kommen kann, so daß wir den Türken einige tausend kampfbereite Männer entgegenstellen können.“
    „Sind sie alle bewaffnet?“
    „Alle. Du selbst wirst sehen, wie viel bei unserem Fest geschossen wird. Der Mutessarif braucht für seine Soldaten während eines ganzen Jahres nicht so viel Pulver, wie wir in diesen drei Tagen für unsere Freudensalven.“
    „Warum verfolgt man euch? Des Glaubens wegen?“
    „Denke dies nicht, Emir! Dem Mutessarif ist der Glaube sehr gleichgültig. Er hat nur das eine Ziel, reich zu werden, und dazu müssen ihm bald die Araber und die Chaldäer, bald die Kurden oder die Dschesidi verhelfen. Oder meinst du, daß unser Glaube so schlimm sei, daß er verdiene, ausgerottet zu werden?“
    Auf diesem Punkt wollte ich den jungen Mann haben. Von ihm konnte ich erfahren, was der Pir mir noch nicht gesagt hatte.
    „Ich kenne ihn nicht“, antwortete ich.
    „Und hast auch noch nichts über ihn gehört?“
    „Sehr wenig, und dieses glaube ich nicht.“
    „Ja. Effendi, man redet sehr viel Unwahres über uns. Hast du auch von meinem Vater nichts erfahren oder von Pali und Melaf?“
    „Nein; wenigstens nichts Hauptsächliches; aber ich denke, daß du mir einiges sagen wirst.“
    „O Emir, wir sprechen nie zu Fremden über unseren Glauben!“
    „Bin ich dir fremd?“
    „Nein. Du hast dem Vater und den beiden andern das Leben gerettet und auch jetzt uns vor den Türken gewarnt, wie ich vom Bey erfahren habe. Du bist der einzige, dem ich Auskunft erteilen werde. Aber ich muß dir sagen, daß ich selbst nicht alles weiß.“
    „Gibt es bei euch Dinge, die nicht jeder wissen darf?“
    „Nein. Aber gibt es nicht in jedem Haus Dinge, welche die Eltern ganz allein zu wissen brauchen? Unsere Priester sind unsere Väter.“
    „Darf ich dich fragen?“
    „Frage; aber ich bitte dich, einen Namen nicht zu nennen!“
    „Ich weiß es; aber ich möchte grad über diesen Gegenstand einiges wissen. Wirst du mir Auskunft geben, wenn ich das Wort vermeide?“
    „Soviel ich's vermag. Ja.“
    Dieses Wort war der Name des Teufels, den die Dschesidi niemals aussprechen. Das Wort Scheïtan ist bei ihnen so verpönt, daß sie selbst ähnliche Worte sorgfältig vermeiden. Wenn sie zum Beispiel von einem Fluß sprechen, so sagen sie ‚Nahr‘, aber niemals ‚Schat‘, weil dieses letztere Wort mit der ersten Silbe von Scheïtan in naher Beziehung steht. Das Wort ‚Keïtan‘ (Franse oder Faden) wird vermieden und auch die Wörter ‚Naal‘ (Hufeisen) und ‚Naal-band‘ (Hufschmied), weil sie mit den Worten ‚Laan‘ (Fluch) und

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