12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
meinen Worten meinte. Ich bin der Ankläger und muß stehen, und dieser ist der Angeklagte und darf sitzen!“
„Wer klagt ihn an?“
„Ich, dieser, dieser und wir alle.“
Abrahim staunte, aber er sagte noch nichts.
„Wessen klagst du ihn an?“ fragte der Sahbeth-Bei.
„Der Tschikarma, desselben Verbrechens, dessen er uns anklagte.“
Ich sah es, daß Abrahim unruhig wurde. Der Richter gebot mir:
„Sprich!“
„Du dauerst mich, Bimbaschi, daß du eine solche Trauer erleben mußt.“
„Welche Trauer?“
„Daß du einen Mann verurteilen mußt, den du so gut kennst wie deinen Bruder, ja wie dich selbst. Du bist sogar bei ihm in En-Nasar gewesen und weißt genau, daß er ein Mamur ist. Ich aber sage dir, daß auch ich ihn kenne. Er heißt Dawuhd Arafim, war Beamter des Großherrn in Persien, wurde aber abgesetzt und bekam sogar die Bastonade.“
Jetzt erhob sich Abrahim vom Boden.
„Hund! – Sahbeth-Bei, dieser Mann hat den Verstand verloren!“
„Sahbeth-Bei, höre mich weiter, dann wird es sich zeigen, wessen Kopf besser ist und fester sitzt, der meine oder der seine!“
„Rede!“
„Dieses Weib hier ist eine Christin, eine freie Christin aus Karadagh (Montenegro. – Beides heißt ebenso wie das slawische Czernagora ‚Schwarzer Berg‘); er hat sie geraubt und mit Gewalt nach Ägypten entführt. Hier mein Freund ist ihr rechtmäßiger Verlobter, und darum ist er nach Ägypten gekommen und hat sie sich wiedergeholt. Du kennst uns, denn du hast unsere Legitimationen gelesen, ihn aber kennst du nicht. Er ist ein Frauenräuber und Betrüger. Laß dir seine Legitimation zeigen, oder ich gehe zum Khedive und sage, wie du Gerechtigkeit übst in dem Amt, welches er dir gegeben hat. Ich bin von dem Kapitän des Sandal des Mordversuches angeklagt. Frage diese Männer! Sie alle haben es gehört, daß ich ihm die Feder vom Tarbusch schießen wollte, und ich habe sie getroffen. Der, welcher sich einen Mamur nennt, aber hat im Ernst und in der Absicht, mich zu töten, auf mich geschossen. Ich klage ihn an. Nun entscheide!“
Der brave Mann befand sich natürlich in einer großen Verlegenheit. Er konnte doch seine Worte und Taten nicht dementieren, fühlte aber sehr wohl, daß ich im Recht sei, und so entschloß er sich, zu tun, was eben nur ein Ägypter zu tun vermag.
„Das Volk soll hinaus und in seine Häuser gehen!“ gebot er. „Ich werde mir die Sache überlegen und am Nachmittag das Gericht halten. Ihr alle aber seid meine Gefangenen!“
Die Khawassen trieben die Zuschauer mit Stockschlägen hinaus; sodann wurde Abrahim-Mamur mit der Mannschaft des Sandal gefangen abgeführt, und schließlich schaffte man auch uns fort, nämlich in den Hof des Gebäudes, in welchem wir uns ungestört bewegen durften, während einige Khawassen, am Ausgang postiert, uns zu bewachen schienen. Nach einer Viertelstunde aber waren sie verschwunden.
Ich ahnte, was der Sahbeth-Bei beabsichtigte, und trat zu Isla Ben Maflei, welcher neben Senitza am Brunnen saß.
„Denkst du, daß wir heute unseren Prozeß gewinnen werden?“
„Ich denke gar nichts; ich überlasse alles dir“, antwortete er.
„Und wenn wir ihn gewinnen, was wird mit Abrahim geschehen?“
„Nichts. Ich kenne diese Leute. Abrahim wird dem Bimbaschi Geld geben oder einen der kostbaren Ringe, die er an den Fingern trägt, und der Baschi wird ihn laufen lassen.“
„Wünschst du seinen Tod?“
„Nein. Ich habe Senitza gefunden, das ist mir genug.“
„Und wie denkt deine Freundin darüber?“
Senitza antwortete selbst:
„Effendi, ich war sehr unglücklich, jetzt aber bin ich frei. Ich werde nicht mehr an ihn denken.“
Das befriedigte mich. Jetzt galt es nur noch, den Abu el Reïsahn zu befragen. Er erklärte mir rundweg, daß er sehr froh sei, mit heiler Haut davonzukommen, und so machte ich mich denn beruhigt an das Rekognoszieren.
Ich schritt durch den Ausgang hinaus auf die Straße. Die heiße Tageszeit war eingetreten und ich sah keinen Menschen auf der Straße. Es war klar, daß der Sahbeth-Bei wünschte, daß wir uns selbst ranzionieren und nicht auf seine Entscheidung warten möchten; ich kehrte daher in den Hof zurück, teilte den Leuten meine Ansicht mit und forderte sie auf, mir zu folgen. Sie taten es, und kein Mensch trat unserem Tun entgegen.
Als wir die Dahabïe erreichten, ergab es sich, daß sie von den Khawassen verlassen worden war. Ein Freund und Bewunderer der Ladung, welche aus Sennesblättern bestand, hätte
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