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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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das bieten konnte, was ich bereits gesehen und kennengelernt hatte.
    Während unseres Rittes tauchten die beiden kahlen Höhen des Dschekehm und des Da-ad vor uns auf, und als rechts von uns der hohe Gipfel des Dschebel Gharib sichtbar wurde, hatten wir das Grab Pharao's hinter uns. Das Rote Meer bildete zu unserer Linken eine Bucht, in welcher ein Fahrzeug vor Anker lag.
    Es war eine jener Barken, welche man auf dem Roten Meer mit dem Namen Sambuk bezeichnet. Sie war ungefähr sechzig Fuß lang und fünfzehn Fuß breit und hatte eines jener kleinen Hinterdecke, unter denen gewöhnlich ein Verschlag angebracht ist, welcher den Kapitän oder die vornehmen Passagiere beherbergt. So ein Sambuk hat außer den Riemen – denn er wird auch gerudert – zwei dreieckige Segel, von denen das eine so weit vor dem anderen steht, daß es – vom Wind aufgeschwellt – ganz über das Vorderteil des Schiffes ragt und dort eine Art halbkreisförmigen Ballon bildet, wie man sie auf antiken Münzen und auf alten Fresken zu sehen pflegt. Man kann getrost annehmen, daß die Fahrzeuge dieses Seestriches in Beziehung auf Bauart, Führung und Takelung ganz noch dieselben sind, wie sie im grauen Altertum hier gesehen wurden, und daß die heutigen Seeleute noch dieselben Buchten und Ankerplätze besuchen, welche bereits belebt waren zur Zeit, als Dionysos seinen berühmten Zug nach Indien unternahm. Die Küstenschiffe des Roten Meeres sind gewöhnlich aus jenem indischen Holz gebaut, welches die Araber Sadsch nennen, und das sich mit der Zeit im Wasser dermaßen verhärtet, daß es unmöglich ist, einen Nagel einzuschlagen. Von einer Fäulnis dieses Holzes ist niemals die Rede, und so kommt es, daß man Sambuks zu sehen bekommt, welche ein Alter von beinahe zweihundert Jahren erreichen.
    Die Schiffahrt des Arabischen Busens ist eine sehr gefährliche; deshalb wird während der Nacht niemals gesegelt, sondern ein jedes Fahrzeug sucht sich beim Nahen des Abends eine sichere Ankerstelle.
    Der vor uns liegende Sambuk hatte dasselbe getan. Er war mittels des Ankers und eines Taues befestigt und lag ohne Bemannung an der Küste. Die Schiffer hatten den Bord verlassen und saßen oder lagen an einem kleinen Wasser, welches sich in das Meer ergoß. Derjenige, welcher etwas abseits von ihnen in gravitätischer Haltung auf einer Matte saß, mußte der Kapitän oder der Eigner des Fahrzeuges sein. Ich sah es ihm sofort an, daß er kein Araber sondern ein Türke war; der Sambuk zeigte die Farben des Großherrn, und die Bemannung trug türkische Uniformen.
    Keiner der Männer rührte sich von seinem Platz, als wir uns nahten. Ich ritt bis hart an den Anführer heran, hob die Rechte zur Brust empor und grüßte ihn absichtlich nicht in türkischer, sondern in arabischer Sprache.
    „Gott schütze dich! Bist du der Kapitän dieses Schiffes?“
    Er richtete die Augen mit stolzem Aufschlage zu mir empor, musterte mich sehr eingehend und sehr lange und antwortete endlich:
    „Ich bin es.“
    „Wohin geht dein Sambuk?“
    „Überall hin.“
    „Was hast du geladen?“
    „Verschiedenes.“
    „Nimmst du auch Passagiere auf?“
    „Das weiß ich nicht.“
    Das war mehr als einsilbig, das war grob. Daher schüttelte ich den Kopf und meinte in mitleidigem Ton:
    „Du bist ein Kelleh, ein Unglücklicher, den der Koran dem Mitleid der Gläubigen empfiehlt. Ich bedaure dich!“
    Er sah mich mit einem halb zornigen, halb überraschten Blick an.
    „Du bedauerst mich? Du nennst mich einen Unglücklichen? Warum?“
    „Allah hat deinem Mund die Gabe der Sprache verliehen, aber deine Seele ist stumm. Wende dich nach der Kiblah (Richtung nach Mekka, beim Gebet vorgeschrieben) und bitte Gott, daß er ihr die Sprache wiedergebe, sonst wird sie einst unfähig sein, in das Paradies zu kommen!“
    Er lächelte verächtlich und legte die Hand an den Gürtel, in welchem zwei riesige Pistolen steckten.
    „Schweigen ist besser als schwatzen. Du bist ein Schwätzer; der Wergi-Baschi Muhrad Ibrahim aber zieht es vor, zu schweigen.“
    „Wergi-Baschi? Oberzolleinnehmer? Du bist ein großer und jedenfalls auch ein berühmter Mann, aber du wirst mir trotzdem Antwort geben, wenn ich dich frage.“
    „Du willst mir drohen? Ich sehe, daß ich recht gedacht habe: Du bist ein Arab Dscheheïne.“
    Die Araber vom Stamm Dscheheïne sind am Roten Meer als Schmuggler und Räuber bekannt. Der Zolleinnehmer hielt mich für einen solchen; das war der Grund seines abstoßenden Benehmens

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