12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
gegen mich.
„Fürchtest du dich vor den Beni Dscheheïne?“ fragte ich ihn.
„Fürchten? Muhrad Ibrahim hat sich noch niemals gefürchtet!“
So stolz sein Auge bei diesen Worten leuchtete, lag doch in seinem Gesicht etwas, was mich an seinem Mut zweifeln ließ.
„Und wenn ich nun ein Dscheheïne wäre?“
„Ich würde dich nicht fürchten.“
„Natürlich. Du hast zwölf Gemi-taifasyler (Matrosen) bei dir und acht Diener, während bei mir nur drei Männer sind. Aber ich bin kein Dscheheïne; ich gehöre gar nicht zu den Beni Arab, sondern ich komme aus dem Abendland.“
„Aus dem Abendland? Du trägst doch die Kleidung eines Beduinen und redest die Sprache der Araber!“
„Ist dies verboten?“
„Nein. Bist du ein Frasez oder ein Ingli?“
„Ich gehöre zu den Nemsi.“
„Ein Nemtsche“, meinte er mit geringschätziger Miene. „So bist du ein Bostandschi (Gärtner) oder ein Bazirgian (Kaufmann)?“
„Keines von beiden. Ich bin ein Jazmakdschi.“
„Ein Schreiber? O jazik, o wehe, und ich habe dich für einen tapferen Beduinen gehalten! Was ist ein Schreiber? Ein Schreiber ist kein Mann; ein Schreiber ist ein Mensch, welcher Federn ißt und Tinte trinkt; ein Schreiber hat kein Blut, kein Herz, keinen Mut, kein – – –“
„Halt!“ unterbrach ihn da mein Diener. „Muhrad Ibrahim, siehst du, was ich hier in meiner Hand halte?“
Er war abgestiegen und stellte sich mit der Nilpeitsche vor den Türken. Dieser zog die Brauen finster zusammen, antwortete aber doch:
„Die Peitsche.“
„Schön. Ich bin Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah. Dieser Sihdi ist Kara Ben Nemsi, der sich vor keinem Menschen fürchtet. Wir haben die Sahara und ganz Ägypten durchwandert und haben große Heldentaten verrichtet; man wird von uns erzählen in allen Kaffeehäusern und auf allen Kirchhöfen der Welt, und wenn du es wagst, noch ein einziges Wort zu sagen, welches meinem Effendi nicht gefällt, so wirst du diese Peitsche kosten, obgleich du ein Wergi-Baschi bist und viele Männer hier bei dir hast!“
Diese Drohung hatte eine außerordentlich rasche Wirkung. Die beiden Beduinen, welche bis hierher meine Begleiter waren, wurden vom Schreck über die Kühnheit Halefs um einige Schritte zurückgeworfen; die Matrosen und übrigen Begleiter des Türken sprangen auf und griffen zu den Waffen, und der Baschi hatte sich mit derselben Schnelligkeit erhoben. Er griff nach seinem Pistol, aber Halef hielt ihm schon die Mündung seiner eigenen Waffe auf die Brust.
„Ergreift ihn!“ gebot der Baschi, indem er selbst jedoch sein Pistol vorsichtig sinken ließ.
Die guten Leute behielten zwar ihre drohenden Gesichter bei, aber keiner wagte es, Hand an Halef zu legen.
„Weißt du, was es heißt, einem Wergi-Baschi mit der Peitsche zu drohen?“ fragte der Türke.
„Ich weiß es“, antwortete Halef. „Einem Wergi-Baschi mit der Peitsche drohen, heißt, sie ihn auch wirklich kosten lassen, wenn er es wagt, in der Weise weiter zu sprechen, wie er gesprochen hat. Du bist ein Türke, ein Sklave des Großherrn; ich aber bin ein freier Araber!“
Ich ließ mein Kamel niederknien, stieg ab und zog meinen Paß hervor.
„Muhrad Ibrahim, du siehst, daß wir uns noch weniger vor euch fürchten, als ihr vor uns; du hast einen sehr großen Fehler begangen, denn du hast einen Effendi beleidigt, der im Giölgeda padischahnün steht.“
„Im Schutze des Großherrn, den Allah segnen möge? Wen meinst du?“
„Mich.“
„Dich? Du bist ein Nemtsche, also ein Giaur – – –“
„Du schimpfst!“ unterbrach ich ihn.
„Du bist ein Ungläubiger, und von den Giaurs steht im Koran: ‚O ihr Gläubigen, schließt keine Freundschaft mit solchen, die nicht zu eurer Religion gehören. Sie lassen nicht ab, euch zu verführen, und wünschen nur euer Verderben!‘ Wie kann also ein Ungläubiger im Schutze des Großherrn stehen, welcher der Schirm der Gläubigen ist?“
„Ich kenne die Worte, welche du sagst; sie stehen in der dritten Sure des Koran, in der Sura Amran; aber öffne deine Augen und beuge dich in Demut nieder vor dem Bjuruldu des Padischah. Hier ist es.“
Er nahm das Pergament, drückte es an Stirn, Augen und Brust, verbeugte sich bis zur Erde und las es. Dann gab er mir es zurück.
„Warum hast du es mir nicht gleich gesagt, daß du ein Arkadar (Schützling) des Sultans bist? Ich hätte dich nicht Giaur genannt, obgleich du ein Ungläubiger bist. Sei mir
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