12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
selbst ohne Bezahlung.‘ Hast du das verstanden? Einen Privatmann müßte ich bezahlen; einen Beamten brauche ich nicht zu bezahlen. Ich gebe dir freiwillig diese drei Taler; bist du nicht einverstanden, so wirst du mich umsonst mitnehmen müssen.“
Er sah sich in die Enge getrieben und begann, seine Forderung zu mäßigen. Endlich nach langer Debatte hielt er mir die Hand entgegen:
„So mag es sein. Du bist im Giölgeda padischahnün, und ich will dich für drei Taler mitnehmen. Gib sie her!“
„Ich werde dich bezahlen, wenn ich in Tor das Schiff verlasse.“
„Effendi, sind die Neßarah (Christen. Das Wort ist gleichbedeutend mit ‚Nazarenern‘) alle so geizig wie du?“
„Sie sind nicht geizig, aber vorsichtig. Erlaube, daß ich mich an Bord begebe; ich werde nicht am Land, sondern auf dem Schiff schlafen.“
Ich bezahlte meine Führer, welche, sobald sie außerdem noch ein Bakschisch erhalten hatten, ihre Kamele bestiegen und trotz der vorgerückten Tageszeit ihren Rückweg antraten. Dann stieg ich mit Halef an Bord. Ich befand mich nicht im Besitz eines Zeltes. Während des Rittes durch die Wüste hat man ebenso wie von der Hitze des Tages auch von der unverhältnismäßigen Kälte der Nächte zu leiden. Wer arm ist und kein Zelt hat, schmiegt sich bei der Nacht an sein Kamel oder an sein Pferd, um sich während der Ruhe an demselben zu wärmen. Ich hatte jetzt kein Tier mehr, und da die Nachtkühle hier am Wasser jedenfalls strenger war als im Innern des Landes, so zog ich es vor, hinter dem Verschlag auf dem Hinterteil des Sambuk Schutz zu suchen.
„Sihdi“, fragte mich Halef, „habe ich es recht gemacht, daß ich diesem Werge-Baschi die Peitsche zeigte?“
„Ich will dich nicht tadeln.“
„Aber warum sagst du jedem, daß du ein Ungläubiger bist?“
„Darf man sich fürchten, die Wahrheit zu sagen?“
„Nein; aber du bist ja bereits auf dem Weg, ein Gläubiger zu werden. Wir sind auf dem Wasser, welches die Franken Bay-el-Hamra, das Rote Meer, nennen; dort liegt Medina und weiter nach rechts Mekka, die Städte des Propheten. Ich werde alle beide besuchen, und du, was wirst du tun?“
Er sprach die Frage offen aus, welche ich mir während der letzten Tage bereits heimlich vorgelegt hatte. Dem Christen, welcher sich nach Mekka oder Medina wagt, droht der Tod; so steht es in den Büchern zu lesen. Ist es wirklich so schlimm? Muß man hingehen und sagen, daß man ein Christ sei? Ist nicht vielleicht ein Unterschied zu machen zwischen einer ruhigeren Zeit und jenen Tagen, an welchen die großen Pilgerkarawanen eintreffen und der Fanatismus seinen Siedepunkt erreicht? Ich hatte oft gelesen, daß ein Ungläubiger keine Moschee betreten dürfe, und war dann später in verschiedenen Moscheen selbst gewesen; konnte es mit dem Betreten der heiligen Städte nicht ähnlich sein? Ich hatte überhaupt den Orient nüchterner gefunden, als man sich ihn gewöhnlich vorzustellen pflegt, und konnte gar nicht recht glauben, daß ein kurzer, vielleicht nur stundenlanger Besuch in Mekka wirklich so furchtbar gefährlich sei. Der Türke hatte mich für einen Beduinen gehalten; es stand sehr zu vermuten, daß auch andere dieselbe Meinung von mir hegen würden. Und dennoch konnte ich zu keinem Entschluß kommen.
„Das weiß ich jetzt nicht“, antwortete ich dem kleinen Halef.
„Du wirst mit mir nach Mekka gehen, Sihdi, und vorher in Dschidda den rechten Glauben annehmen.“
„Nein, das werde ich nicht.“
Ein Ruf am Land unterbrach die Unterhaltung. Der Türke hatte seinen Leuten das Abendgebet befohlen.
„Effendi“, meinte Halef, „die Sonne steigt hinter die Erde hinab; erlaube, daß ich bete!“
Er ließ sich auf die Knie nieder und betete. Seine Stimme mischte sich mit dem Unisono der betenden Türken. Noch war dasselbe kaum verklungen, so ließ sich eine andere Stimme vernehmen. Sie scholl hinter dem Felsenriff hervor, welches die Aussicht nach der Nordseite des Meeres verschloß.
„An Allah haben wir volle Genüge, und herrlich ist er, der Beschützer. Es gibt keine Macht und keine Gewalt, außer bei Gott, dem Hohen, dem Großen. O unser Herr, ïa Allah, o gern Verzeihender, o Allgütiger, ïa Allah, Allah hu!“
Dieser Worte wurden mit einer tiefen Baßstimme intoniert, jedoch dem Namen Allah gab der Betende allemal einen Ton, welcher eine Quinte höher lag. Ich kannte diese Worte und diese Töne; so pflegen die heulenden Derwische zu beten. Die Türken hatten sich erhoben und sahen
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