12 Stephanie Plum: Kalt erwischt (Twelve Sharp)
einzudringen.«
»Er hat Carmen verlassen und sie getötet.«
»Da hat er wohl noch geübt«, sagte Ranger.
Auf der nächsten Seite klebte ein Bild von Ranger vor dem Haus der Martines in Miami, im Gespräch mit Ron. Die Zeile darunter lautete: › Ranger macht einen mysteriösen Besuch, aber ich kenne sein Geheimnis ‹. Danach folgten Fotos von Julie.
Ranger wurde schweigsam. Er starrte auf die Fotos von seiner Tochter. In seinem Gesicht war keine Regung zu erkennen, und er atmete nicht. Es war, als wäre aller Sauerstoff aus dem Raum gepumpt worden. Rangers Arme hingen schlaff herunter, und sein Blick war auf die Fotos gerichtet. Ein kleines Mädchen mit seidigem, braunem Haar war darauf zu sehen, mit intelligenten braunen Augen und etwas dunklerer Haut... das Abbild ihres Vaters. Ich nahm seine Hand und wartete, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte.
»Sie wird bestimmt unbeschadet daraus hervorgehen«, sagte ich. »Der Mann spielt eine Rolle. Er wird sich verhalten, als wäre er ihr Vater.«
Ranger nickte. »Das würde ich auch gerne glauben. - Komm, packen wir den Kram zusammen. Ich nehme den Computer und das Notizbuch mit. Sonst kann ich nichts sehen, was für uns interessant wäre.«
Wir schleppten Scrogs Sachen nach unten zum Auto und packten sie in den Kofferraum. Die Sonne war untergegangen, und der Parkplatz lag im Dunkeln. Der Verkehrslärm der Interstate schallte über das Haus hinweg.
»Was jetzt?«, fragte ich Ranger. »Willst du noch zu seinen Eltern?«
»Nein. Ich habe alles, was ich brauche. Wir fahren nach Hause.«
Wir fuhren auf der Interstate 95 zurück Richtung Norden, schweigend, Ranger wie in Trance. Wir folgten in der Dunkelheit einfach den Rücklichtern der vor uns Fahrenden, glitten wie körperlose Geister durch die Nacht. Raum und Zeit schienen sich aufgelöst zu haben, wir waren eingekapselt in Stahl und Fiberglas. Alles viel poetischer als die raue Wirklichkeit des Augenblicks, und die sah so aus, dass mein Hintern einschlief. Ich würde auch gerne behaupten, ich wäre in Trance gewesen wie Ranger, aber die Wahrheit ist, dass ich noch nie in meinem Leben einen tranceartigen Zustand erreicht habe.
Ich konnte mir so eine Trance nicht einmal vorstellen, und eigentlich wusste ich gar nicht genau, was das war. Wenn ich meinen Zustand beschreiben sollte, müsste ich sagen, ich hatte irren Schiss.
Irgendwo in Maryland schlief ich ein und wachte erst wieder auf, als wir in die Broad Street bogen. Ich rekelte mich und sah zu Ranger. Seine Hand hing locker auf dem Steuerrad. Auf den ersten Blick wirkte er entspannt. Aus der Nähe betrachtet, sah man die Anspannung um die Augen und die Mundwinkel herum. Ich fragte mich, was wohl in ihm vorging. Und um welchen Preis er es für sich behielt.
Er stellte den Wagen auf meinem Parkplatz ab und stieg aus. »Ich bringe dich nach oben«, sagte er.
»Nicht nötig.«
Er schloss das Auto mit der Fernbedienung ab und geleitete mich zum Haus. »Doch. Hier läuft irgendwo ein Verrückter frei herum, der dich zu seinen Ranger-Souvenirs hinzufügen will.«
»Du hast recht«, sagte ich. »Danke. Ich werde gerne eskortiert.«
Wir gelangten ohne weitere Zwischenfälle nach oben, Ranger schloss die Tür zu meiner Wohnung auf und schaltete das Licht an. Rex lief leise in seinem Rad.
»Der Kampfhamster ist auf Posten«, sagte Ranger.
Ich warf eine Erdnuss in Rex‘ Käfig und wandte mich wieder Ranger zu. Im Schein der Küchenlampe sah er müde aus. Er hatte dunkle Ränder unter den Augen, seine Lippen waren gespannt, und er kämpfte gegen den Schlaf an. »Du siehst erschöpft aus«, sagte ich.
»Es war ein anstrengender Tag.«
»Du hast noch eine halbe Stunde Fahrt vor dir. Möchtest du nicht lieber hierbleiben?«
»Doch.«
»Ich will nichts von dir, nicht dass du denkst«, sagte ich.
»Ich weiß. Mir reicht das Sofa.«
10
Allmähliches Aufwachen. Ich öffnete die Augen und sah einen Lichtspalt unter meinen Schlafzimmervorhängen. Es war Morgen, ich lag in meinem eigenen Bett und fühlte mich sauwohl. Ich sah an mir herab. Der Arm eines Mannes lag auf meinem Oberkörper, die Hand wölbte sich sanft um meine Brust.
Ranger.
Ganz behutsam drehte ich den Kopf auf dem Kissen nach hinten und betrachtete ihn. Er schlief noch. Es wuchs ihm bereits ein starker Bart, und das Haar war ihm in die Stirn gerutscht. Ich war mir ziemlich sicher, dass er beim Einschlafen noch nicht in meinem Bett gelegen hatte. Ich spähte unter die Decke. Ich trug mein
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