12 Stephanie Plum: Kalt erwischt (Twelve Sharp)
Tanktop und kurze Schlafanzughosen. Ranger schlief in der Unterhose. Hätte schlimmer sein können, dachte ich.
»He«, sagte ich.
Er schlang beide Arme um mich und zog mich zu sich heran, die Augen noch immer geschlossen.
»Ranger!«
»Hm.«
»Was machst du in meinem Bett?«
»Bis jetzt habe ich noch gar nichts gemacht, aber das könnte sich ändern.«
»Du hast gesagt, du wolltest auf dem Sofa schlafen.«
»Das war eine Lüge.«
Nicht schlecht, denn es fühlte sich gut an, ihn neben sich zu haben. Ich sah auf den Wecker hinter ihm, neun Uhr. »Ich muss zur Arbeit«, sagte ich. »ich bin schon spät dran.«
Er zog mich noch dichter zu sich heran und strich mit dem Daumen über meine Brust. »Willst du wirklich jetzt zur Arbeit gehen?«
Ich bekam einen Schwindelanfall, der so stark war, dass es auch gut ein Orgasmus hätte sein können. Ich glaube, ich habe sogar ein bisschen gestöhnt. Mental gab ich mir jegliche nur erdenkliche Mühe, Morelli treu zu bleiben, nur war der Körper nicht immer kooperationswillig.
Ranger küsste mich auf die Schulter, da klingelte das Telefon. Normalerweise reißt man in solchen Situationen die Telefonschnur aus dem Stecker, aber unsere Nerven waren im Augenblick nicht die stärksten, und so schraken wir beide bei dem Geräusch zusammen.
»Ich gehe ran«, sagte ich und griff über Ranger hinweg.
Am anderen Ende der Leitung hörte man einen Heidenlärm, dann meldete sich Melvins Stimme. »Gott sei Dank, dass ich Sie erreiche«, schrie er in den Hörer. »Ich bin ganz alleine, und die Meute geht langsam auf mich los. Außerdem ist Joyce Barnhardt hier, die Frau macht mir Angst!«
»Wo sind Connie und Lula?«
»Wo Lula steckt, weiß ich nicht. Connie musste für jemanden eine Kaution am Gericht hinterlegen.«
Im Hintergrund ging ein Schuss los, ein Aufschrei von Melvin, dann war die Leitung tot. Ich schob Ranger beiseite und wälzte mich aus dem Bett. »Ich muss los. Melvin ist allein im Kautionsbüro. Es gibt Probleme.«
Ich schnappte mir ein paar Sachen zum Anziehen und lief ins Badezimmer.
»Wer ist Melvin?«, rief Ranger hinter mir her.
Vor dem Kautionsbüro trat ich auf die Bremse und sprang aus dem Wagen. Das Schaufenster war fast zugekleistert mit Klebbuchstaben, Werbung für Kautionen und unseren Service, aber zwischen den Buchstaben sah ich, dass das kleine Ladenbüro voller Leute war, die auf mich wie Kopfgeldjäger-Statisten aus dem Fernsehen wirkten. Ich stieß die Tür auf und brüllte Melvins Namen.
»Hier«, schrie er zurück. »Unterm Schreibtisch.«
Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge und sah unter dem Schreibtisch Melvin hocken. »Warum sind die Leute alle auf einmal gekommen? Sollten die nicht planmäßig über den ganzen Vormittag verteilt antanzen?«
»Irgendwas ist schiefgelaufen. Man hat allen gesagt, sie sollten heute Morgen um neun Uhr hier sein.«
»Was war das für ein Schuss, den ich beim Telefonieren gehört habe?«
»Zwei Männer haben Wettschießen gespielt, dabei hat einer versehentlich das Telefon getroffen.«
Ich sah mir den Apparat an. Er war Schrott.
Ich fasste in die Kaffeekasse und schaufelte eine Handvoll Geld heraus. »He!«, sagte ich. »Hören Sie bitte!«
Keiner hörte zu. Ich kletterte auf den Schreibtisch und versuchte es noch mal. »He!«, schrie ich. »Schnauze! Alle mal herhören!«
Diese Sprache verstanden sie besser.
»Es tut mir sehr leid, dass die Termine durcheinandergeraten sind«, sagte ich. »Ich mache jetzt einen neuen Terminplan, und jeder von Ihnen bekommt fünf Dollar, damit er so lange frühstücken gehen kann, bis er dran ist. Und jetzt stellen Sie sich bitte in einer Reihe auf.«
Chaos brach aus. Jeder wollte der Erste sein. Einer wurde zu Boden gestoßen, ein anderer ins Gesicht geschlagen. Die Leute brüllten und fluchten, In-die-Augen-Stechen, Beißen, alles war erlaubt.
Ich holte Connies Pistole aus der Schreibtischschublade und bereicherte die Decke mit etwas Blei. Ein Batzen Putz fiel auf die Tischfläche, feiner Gipsstaub rieselte mir auf Haar und Schultern.
»Wer sich nicht ordentlich anstellt, wird erschossen«, sagte ich.
Murrend und ohne allzu viel Geschiebe und Gedränge stellten sich die Kandidaten in eine Reihe. Ich vergab Termine für je fünfzehnminütige Bewerbungsgespräche an elf Leute. Jeder bekam fünf Dollar. Alle gingen, außer einem.
»Sie können jetzt wieder unter dem Schreibtisch hervorkommen«, sagte ich zu Melvin. »Was ist mit Joyce? Ich dachte, sie wäre
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