12 Stunden Angst
Badezimmerfenster geworfen habe?
Wohl kaum. Und selbst wenn – warum sollte sie damit zu Warren gehen? Nicht einmal Bonnie Elfman war dumm genug, ihrem Hausarzt zur Schwangerschaft seiner Frau zu gratulieren, von der er möglicherweise selbst noch gar nichts wusste.
Dumm genug ist die Alte vielleicht nicht, ging es Laurel durch den Kopf, aber boshaft genug.
Laurel und Mrs. Elfman hatten vor einiger Zeit einen Streit über ihre Grundstücksgrenzen ausgefochten (der durch eine neuerliche Vermessung gelöst worden war, und Laurel hatte recht bekommen). War die alte Frau nachtragend genug, um ihre Rachegelüste auf eine solch absurde Weise zu befriedigen?
Ach was, Quatsch, rief Laurel sich zur Ordnung. Warren ist noch wegen der Steuerprüfung zu Hause, das ist die ganze Erklärung.
Die finanzielle Situation war vermutlich schlimmer, als er Laurel gegenüber zugegeben hatte. Warren kam nie mit seinen geschäftlichen Problemen zu ihr, denn er wusste, dass sie seinem Seniorpartner Kyle Auster nicht über den Weg traute. Austers Grinsen war eine Spur zu breit, seine Ausdruckweise eine Spur zu glatt für einen Arzt, der seine Prioritäten richtig setzte, und er gab viel zu viel Geld aus. Während der ersten Jahre hatte Warren seinen Seniorpartner verteidigt – Auster war zwar nur zehn Jahre älter als Warren, aber es reichte für eine Art Heldenverehrung –, doch in den letzten Jahren war ein wenig vom Glanz des Denkmals abgeblättert. Warren hatte Austers »menschliche« Seite ein paar Mal zu oft gesehen und seine Meinung entsprechend revidiert.
Ja, sagte Laurel sich beinahe erleichtert. Das muss es sein: Warren hat Ärger mit Kyle Auster. Es hat gar nichts mit mir zu tun.
Sie nahm den Fuß von der Bremse, ließ den Wagen langsam zur Garage rollen, hielt und schob den Wählhebel auf P, als ihrunvermittelt die Notiz in ihrer Tasche einfiel, die sie am Morgen Danny hatte geben wollen. ICH BIN SCHWANGER. Laurel überlegte, ob sie den Zettel im Wagen verstecken sollte, beschloss dann aber, kein Risiko einzugehen. Sie drückte den Zigarettenanzünder mit dem Daumen herunter, ließ die Seitenscheibe nach unten gleiten und stellte die Klimaanlage auf MAX. Dann kramte sie das gelbe Post-it aus der Tasche und drückte eine Ecke gegen den rot glühenden Anzünder. Die beschichtete Rückseite des Notizzettels begann zu glühen, und der Luftzug aus der Klimaanlage schürte die Flamme. Bald verbrannte der Zettel im Aschenbecher. Laurel lehnte sich aus dem Fenster, damit ihr Haar keinen Rauchgeruch annahm. Als nur noch Asche übrig war, nahm sie ihre Handtasche und ihr Notebook und ging zum Haus.
Als sie sich an Warrens Volvo vorbeidrückte, fiel ihr ein, dass sie immer noch beide Handys bei sich trug. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, ihr geheimes Handy im Wagen zu lassen, doch Danny würde ihr vermutlich weitere SMS wegen ihres Treffens schicken, und sie musste auf dem Laufenden bleiben. Widerwillig zog Laurel ihr Geheimhandy hervor, aktivierte die Stummschaltung und schob es zurück in die Tasche.
Als sie die Küche betrat, spürte sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Es war ein Gefühl, als hätte jemand, der sich hier nicht auskannte, verschiedene Dinge zur Hand genommen, sie aber nicht wieder genau an den gleichen Platz zurückgestellt. Außerdem glaubte sie Alkohol zu riechen – einen Hauch nur, der aus den Eingeweiden des Hauses kam – und angebranntes Essen. Im Spülbecken entdeckte sie die Quelle des Gestanks: eine Mikrowellen-Verpackung, aus der etwas Schwarzes troff.
Laurel schauderte, verließ die Küche, ging in das große Wohnzimmer mit seinem überdimensionierten Kamin und den zwei Stockwerke hohen Fenstern – und zuckte zusammen, als sie unvermittelt spürte, dass sie nicht allein war. Warren war im Zimmer; er saß so still da wie eine Statue. Wie tot. Doch seine Augen waren offen, und er beobachtete sie. Er trug noch immer die Sachen vom Vortag.
»Warren?«, fragte Laurel mit belegter Stimme. »Alles in Ordnung?«
Er blinzelte träge, sagte aber kein Wort.
Sie trat einen Schritt näher, blieb dann wieder stehen, noch immer fünf Meter von ihm entfernt. Er jagte ihr Angst ein.
»Komm her und setz dich«, sagte er mit dumpfer Stimme. »Ich muss mit dir reden.«
Er deutete auf die Sofalandschaft, die sich halb um den Wohnzimmertisch herum erstreckte. Laurel trat einen Schritt vor, hielt dann aber inne. Irgendetwas an seiner Stimme hatte sie alarmiert. Oder genauer, das Fehlen von irgendetwas. Ja,
Weitere Kostenlose Bücher