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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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versicherte Nell ihr hastig.
    »Du starrst seit Minuten auf ein und denselben Abrechnungsbogen. Und du bist so schrecklich blass. Was ist los?«
    Nell setzte ihr Cheerleader-Lächeln auf – das beste falscheLächeln in ihrem Repertoire. »Ach, nichts. Ich hab gestern Abend bloß ein bisschen zu viel Wein getrunken. Es geht mir wirklich gut.«
    Vida kniff die Augen zusammen. »Hast du jemanden kennen gelernt? Dieser Pharmareferent ist doch wohl nicht wieder in der Stadt?«
    Nell schüttelte den Kopf. »Du lieber Himmel, nein. Das ist vorbei.«
    »Ist wirklich alles in Ordnung? Es könnte ein harter Tag werden.«
    Du hast ja keine Ahnung. »Mit mir ist alles in bester Ordnung, Vi. Ich schwör’s.«
    Ein paar Sekunden vergingen, bevor Vida sich wieder ihrer Arbeit zuwandte. Nell seufzte innerlich vor Erleichterung. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Dr. Shields alles zurechtrückte. Und wenn er herausfand, dass Nell es gewesen war, die ihn im letzten Moment gewarnt hatte, dann … nun, er würde sich dankbar zeigen. Nell konnte sich gut vorstellen, die Praxis genauso erfolgreich ohne Dr. Auster zu führen. Oder ohne Vida, dachte sie mit einem schuldbewussten Stich. Es wäre ein angenehmerer Arbeitsplatz, so viel stand fest, und Nell war sicher, dass sie Hunderte von Möglichkeiten finden würde, Dr. Shields’ Tage weniger stressig zu gestalten.
    Sie brauchte nur eine Chance, ihm zu zeigen, was sie konnte.
    Laurels Hände waren fast taub. Das Gefühl in den Füßen hatte sie bereits fünfzehn Minuten zuvor verloren. Als sie sich bei Warren beklagte, versicherte er ihr grinsend, dass keine Gefahr bestünde, solange ihre Haut sich nicht schwarz verfärbte. Sie fragte wegen Blutgerinnseln in den Beinen, doch er winkte nur ab und durchsuchte weiter ihr Notebook.
    Zwei unglaubliche Dinge gingen Laurel ständig durch den Kopf: Erstens hatte irgendjemand Warren erzählt, sie habe eine Affäre mit Kyle Auster. Und zweitens – Warren hatte es geglaubt.
    Dass Auster sich für sie interessierte, war schon vor Jahren offensichtlich geworden, als Warren in Austers Praxis eingetreten war. Kyle Auster war ein stadtbekannter Schürzenjäger, der die Beherrschung verlor, wenn er getrunken hatte. Laurel hatte Warren wegen Austers Annäherungsversuchen gewarnt, und Warren hatte ihr gesagt, sie solle freundlich, aber bestimmt bleiben und keine große Sache daraus machen, solange die Vorkommnisse sich nicht häuften. Das war nicht die Antwort gewesen, die Laurel hatte hören wollen – doch sie hatten alles auf den Erfolg der Partnerschaft gesetzt, nicht zuletzt wegen der Rückzahlung von Warrens Studienkrediten. Austers Interesse an Laurel war nie abgeklungen, doch er gab seine unverhohlenen Annäherungsversuche auf.
    Es war offensichtlich, dass jemand das Problem absichtlich wiedererweckt und Warren von einer angeblichen Affäre berichtet hatte. Doch warum sollte er sie als Austers Geliebte sehen und nicht als bedrängte Ehefrau? Es musste etwas mit der Identität des Denunzianten zu tun haben. Es musste jemand sein, der in einer Position war, dass er von einer solchen Affäre wissen konnte – falls es sie tatsächlich gab. Doch welchen Grund konnte diese Person haben, eine solche Lüge zu verbreiten? Je länger Laurel darüber nachdachte, desto unsicherer wurde sie. Nach allem, was ihr zu Ohren gekommen war, hatte Auster (derzeit in zweiter Ehe verheiratet) eine Affäre mit einer Krankenschwester im St. Raphael’s Hospital (blond und vollbusig natürlich) sowie eine weitere Affäre mit jemandem aus der Praxis. Wie irgendjemand auf den Gedanken kommen konnte, dass Laurel ihre Zeit mit Auster verschwendete, überstieg ihr Begriffsvermögen.
    Doch plötzlich erkannte sie die Logik. Wenn sie in ihrer Ehe unglücklich war – und wenn sie Warren die Schuld für ihre Lage gab –, warum sollte sie sich dann nicht mit Auster einlassen, einfach nur, um Warren wehzutun? Ihn so gründlich in Verlegenheit zu bringen, wie sie konnte? Einige Ehefrauen in ihrem Bekanntenkreis hatten dieses Spiel bereits gespielt. Dannys »anonymer« Brief hatte dieses Szenario nicht gerade unterstützt – er hattevielmehr ein Bild gemalt von Seelenverwandten, die sich nach Jahren der Suche endlich gefunden hatten. Wenn man bedachte, welchen Schock Warren bei der Entdeckung des Briefes erlebt haben musste, war es verständlich, dass er alle Einzelheiten erfahren wollte.
    Laurel dachte über das nach, was er über den Informanten erzählt hatte. Vorgeblich

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