12 Stunden Angst
war es eine Person, der Warrens Wohlergehen mehr am Herzen lag als seiner eigenen Frau. Eine Person, die Ehebruch als etwas Verwerfliches betrachtete. Doch hatte diese Person ausdrücklich zu Warren gesagt, er solle nach einem Brief suchen? Die Person konnte nicht Dannys Brief gemeint haben, denn niemand – nicht einmal Danny selbst – wusste, wo sie ihn aufbewahrte. Warren behauptete zu wissen, dass sie eine Affäre mit Auster hatte, doch wie konnte er ohne Beweise sicher sein? Ohne ein Foto, eine Tonbandaufzeichnung, irgendetwas? Falls er einen solchen Beweis gesehen hatte – warum hatte Dannys nicht unterschriebener Brief dann so dramatische Auswirkungen? Anstatt in ihrem Computer zu schnüffeln, würde Warren mit dem Beweis vor ihrer Nase wedeln.
Die Fakten passten einfach nicht zusammen. Jedenfalls nicht der Teil, den Laurel kannte. Doch wenn irgendjemand Warren gesagt hatte, er solle bei sich zu Hause suchen (und er hatte behauptet, nach dem Brief zu suchen und nicht nach irgendetwas, das mit der Steuerprüfung zu tun hatte), musste die Denunziation allgemeinerer Natur gewesen sein.
Es sei denn …
Es sei denn, ein weiterer Brief wartete darauf, gefunden zu werden. Ein heimlich platzierter Brief, von dem sie nichts wusste. Oder vielleicht war es gar kein Brief. Vielleicht war es irgendein anderes belastendes Beweisstück, das Warren hatte finden sollen. Falls ja, hatte er aufgehört, danach zu suchen, weil er über Dannys Brief gestolpert war.
Laurel überlegte, ob sie Warren ihren Gedankengang darlegen sollte, doch das war zwecklos. Das würde bei ihm nur den Verdacht wecken, dass sie versuchte, ihn vom Durchsuchenihres Computers abzuhalten. Anstatt sich weiter den Kopf über die Natur eines möglicherweise untergeschobenen Beweisstücks zu zerbrechen, konzentrierte Laurel sich auf die Überlegung, wer es untergeschoben haben könnte. Wer würde davon profitieren, wenn Warren glaubte, seine Frau hätte ein Verhältnis mit seinem Geschäftspartner? Eine Frau, die Warren für sich selbst wollte?
Während sie beobachtete, wie er ihren Computer durchsuchte, kam ihr ein unerwarteter Gedanke. Was, wenn Auster selbst der Ursprung der Lüge war? Wenn Kyle schon in der Praxis gegen das Gesetz verstoßen hatte – und wenn die Behörden auf seine Betrügereien aufmerksam geworden waren –, würde er Warren ablenken wollen, während er die eigene Haut zu retten versuchte. Und es war eine ganze Menge nötig, um Warren von einer bevorstehenden Betriebsprüfung abzulenken. Eine platzende Bombe wie Laurels außereheliches Verhältnis mit seinem Partner beispielsweise – der heutige Ausraster belegte es. Und wenn Warren erst anfing, Kyle Auster aus einem so persönlichen Grund zu hassen, würde er in geschäftlichen Angelegenheiten kaum noch klar denken. Mehr noch, sämtliche späteren Anschuldigungen bezüglich Misswirtschaft, die Warren gegen Auster erhob, würden seitens der Behörden als Verzerrung der Wahrheit eingeschätzt werden.
Laurel musste die Verschlagenheit dieses Plans beinahe bewundern – wenn es ihr für einen kurzen Moment gelang, sich weit genug von der Realität zu distanzieren. Während sie die verschiedenen Aspekte dieser Idee durchdachte, wurde sie immer aufgeregter. Falls sie recht hatte, wartete immer noch irgendwo im Haus die Erlösung darauf, von Warren entdeckt zu werden.
Was mag Auster mir untergeschoben haben?, überlegte sie. Ein Kleidungsstück? Unterwäsche? Einen Manschettenknopf? (Auster trug tatsächlich französische Manschetten, wenn er ausging.) Ein Nacktfoto von sich selbst? Einen eigenhändig geschriebenen Liebesbrief?
Wahrscheinlich ein derber, anzüglicher Brief, wie sie Kyle Auster kannte. Laurel dachte an die vergangenen Wochen undversuchte sich zu erinnern, ob Auster sie zu Hause besucht hatte. Sie konnte sich zwar an keine Begebenheit erinnern, doch das Haus stand meist den größten Teil des Tages leer, und sie wäre nicht überrascht gewesen, wenn Auster einen Nachschlüssel besaß. Wenn sie ihm je einen Schlüssel geliehen hatten – und sie war fast sicher, dass sie ihm einmal den Schlüssel dagelassen hatten, während eines Urlaubs in Disneyland –, hatte er mit ziemlicher Sicherheit einen Nachschlüssel anfertigen lassen. Auster gehörte zu dieser Sorte. Vermutlich hatte Laurel bis heute Glück gehabt, dass er sich nicht einfach Zutritt verschafft hatte an einem Tag, an dem Warren bei einem Radrennen gewesen war, um zu ihr unter die Dusche zu steigen.
Wie es
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