12 Stunden Angst
nach links ab und lief zum Haus der Elfmans. Plötzlich brach Christy aus dem Unterholz hervor und rannte ihm hinterher, voller Freude, dass sie einen Spielkameraden gefunden hatte. Die Corgi-Hündin sprang im Kreis um Grant herum und grinste dabei, wie sie es immer tat. Grant hatte nur eins im Sinn: Er musste so schnell wie möglich zu einem Telefon, auch wenn er nicht sicher war, wen er anrufen sollte. Außerdem hatte er nicht die leiseste Idee, was er Mrs. Elfman erzählen sollte. Mein Dad ist krank? Meine Mom braucht Hilfe?
Er umrundete eine Gruppe von Azaleen und rannte weiter. Ein Stück voraus stand Mrs. Elfman in ihrem Garten neben dem Pool. Sie trug ein weites, geblümtes Kleid; und es hatte den Anschein, als hätte sie Grant bereits entdeckt. Eine Sekunde später tauchte ihr Stallknecht George neben ihr auf. Grant war froh, ihn zu sehen – er mochte George viel lieber als Mrs. Elfman. Grant schätzte, dass er einen ziemlich verängstigten Eindruck gemacht haben musste, denn einen Moment später setzte George sich in Bewegung und kam in seine Richtung gerannt. Selbst Mrs. Elfman marschierte forschen Schrittes auf ihn zu.
Grant war tatsächlich so verängstigt wie nie zuvor. Er wusste nicht, was mit Dad los war, doch er wusste, dass Mom schreckliche Angst hatte. Er hatte sie noch nie so blass gesehen und ihre Hände so zittrig, und er konnte einfach nicht begreifen, dass sie Dad geohrfeigt hatte. Doch was Grant am meisten Angst gemacht hatte, war das, was er oben im Spielzimmer gesehen hatte. Dad hatte es in der Tasche versteckt getragen, doch die Konturen waren deutlich zu erkennen. Grants Kehle war wie zugeschnürt gewesen. Als er kurze Zeit später unten im Haus Schüsse gehört hatte, war es keine Überraschung mehr für ihn.
»Immer schön langsam, kleiner Mann!«, rief George und ließ sich auf die Knie nieder, sodass er sich mit Grant auf Augenhöhe befand. »Wovor rennst du denn so eilig weg?«
Grant atmete so schwer, dass er nicht gleich antworten konnte. Bis er seine Stimme wiedergefunden hatte, war auch Mrs. Elfman heran. Sie nahm ihn bei der Hand und blickte freundlich und besorgt auf ihn hinunter.
»Was ist denn passiert, Grant? Du musst es uns sagen, wenn wir dir helfen sollen. Wir haben Böller gehört aus der Richtung, wo euer Haus steht.«
Grant schüttelte den Kopf. Er hatte Mühe, die Tränen unter Kontrolle zu halten. »Es ist mein Dad … Dad ist krank!«
»Krank?«, fragte George verwirrt. »Du meinst, er hat Fieber oder so was?«
Grant zeigte mit dem Finger an die Schläfe. »Er ist hier oben krank. Er weiß nicht mehr, was er tut. Er hat einen Revolver, und ich glaube, er hat jemanden erschossen. Meine Mom hat versucht, mit uns davonzurennen, aber ich bin als Einziger weggekommen.«
»Großer Gott!«, rief Mrs. Elfman aus. »Du armes Kind! Los, George, laufen Sie! Alarmieren Sie den Sheriff, so schnell Sie können! Sagen Sie ihm, er soll alle seine Leute mitbringen!«
14
D anny McDavitt saß auf der Terrasse des Athens Point Airport. Er trank ein lauwarmes Schaefer und lauschte der Anwältin Marilyn Stone, die seine eheliche Situation einer informellen juristischen Beurteilung unterzog. Es gab vor Ort keinen Alkohol zu kaufen, doch ein befreundeter Mechaniker hatte Danny ein eiskaltes Sixpack überlassen. Danny und Marilyn unterhielten sich seit mehr als einer Stunde, doch Danny hatte es keineswegs eilig, nach Hause zu fahren. Abgesehen von seinen familiären Problemen beschäftigte ihn nur eine Frage: Wie es Laurel im Augenblick ging. Er hatte ein Dutzend Mal auf dem Handy nachgesehen, doch sie hatte ihm keine Textnachricht gesendet.
»Unter dem Strich kann Starlette das Sorgerecht für Michael erwirken«, sagte Marilyn. »Wahrscheinlich kann Sie Ihr Besuchsrecht auf ein absolutes Minimum einschränken. Jedes zweite Wochenende. Es kommt alles darauf an, wie der Richter den Fall beurteilt. Sie kann Michael allerdings nicht in ein Pflegeheim geben, wenn Sie bereit sind, ihn bei sich aufzunehmen. Kein Richter in diesem Land wird ein Kind in ein Heim einweisen, wenn ein Elternteil willens und in der Lage ist, die Verantwortung für dieses Kind zu übernehmen.«
Danny nickte. »Jedes zweite Wochenende reicht bei weitem nicht. Michael braucht volle Aufmerksamkeit, und das ständig.«
Marilyn blickte ihn mitfühlend an. »Was ist mit seiner Lehrerin? Laurel Shields wäre eine erstklassige Zeugin für uns, wenn wir sie dazu bringen könnten, vor Gericht die Wahrheit über
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