Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
war, vielleicht auch nicht. Sie huschte zum Treppenabsatz. In diesem Moment hörte sie Warren rufen: »Legen Sie die Schachtel wieder hin, Auster!«
    Laurel erstarrte.
    »Das kann ich nicht, Partner«, sagte Auster. »Lassen Sie mich mit dem Zeug verschwinden.«
    Laurel spähte über das Geländer der Treppe. Kyle Auster stand unter ihr, gerade noch in Sicht, während Warren gelassen am Schnittpunkt von Halle und Foyer wartete und den Ausgang versperrte. Die beiden Männer waren weniger als drei Meter voneinander entfernt, doch der Revolver zielte auf die Kiste, die Auster vor dem Bauch hielt.
    »Gehen Sie aus dem Weg, Warren!«, sagte Kyle mit überraschendem Nachdruck. »Ich bin nicht Ihr Problem, Mann!«
    »Legen Sie die Schuldverschreibungen auf den Boden, Auster. Wird’s bald?«
    Laurel wollte weiter die Treppe hinauf, doch wenn auch nur eine Stufe knarrte, würde Warren sie hören. Sie wartete atemlos und voller Angst, Auster könnte versuchen, sich an Warren vorbei zur Tür zu drängen. Doch nach vielleicht fünf Sekunden stieß Auster einen resignierten Seufzer aus, beugte sich vor und stellte die Schachtel auf den Boden. »Wenigstens ist Laurel Ihnen entwischt«, sagte er.
    Warren fuhr erschrocken herum und starrte ins Foyer, dann die Treppe hinauf. Als sein Blick dem Laurels begegnete, bemerkte sie unmittelbar hinter ihm eine Bewegung.
    Es war unglaublich, aber plötzlich hielt Auster eine Waffe in der Hand, eine kleine vernickelte Automatik. Laurel blickte staunend auf Warrens Partner, während Auster auf Warrens Brust zielte, und flehte im Stillen, dass er endlich abdrückte – bis sie sich einen Warnschrei ausstoßen hörte: »Warren, pass auf!«
    Warren duckte sich nach links, als Auster feuerte. Es hörte sich an, als wäre ein China-Böller explodiert. Ein roter Fleck erschien hoch oben an Warrens Schulter. Dann schoss er zweimal zurück.
    Wie vom Blitz getroffen, brach Auster zusammen.
    Laurel stand wie erstarrt vor diesem surrealen Tableau, bis oben lautes Getrappel erklang. Plötzlich standen Grant und Beth oben am Treppengeländer und schauten mit großen Augen zu ihr hinunter.
    »Mom, was ist passiert?«, rief Grant erschrocken. »Bist du verletzt?«
    Beth’ Gesicht war totenblass, ihre Augen groß und rund. »Ich hab Angst, Mama!«, jammerte sie. »Ich will auf deinen Arm …«
    Von unten ertönte ein gequältes Stöhnen. Auster lag mit dem Gesicht nach unten in einer sich rasch ausbreitenden Blutlache. Er versuchte zu kriechen, doch nur der Oberkörper bewegte sich.Warren starrte zu Laurel und den Kindern hinauf, während er sich mit der rechten Hand die linke Schulter hielt.
    »Mama!«, heulte Beth. »Bitte, hol mich! Ich will auf deinen Arm!«
    Warren nickte. »Geh schon. Ich kümmere mich um Auster.«
    Laurel rannte die Treppe hinauf und riss Beth zu sich in die Arme. »Komm!«, zischte sie Grant zu. »Beweg dich!«
    »Wohin gehen wir?«, wollte Grant wissen, als er seiner Mutter hinterhereilte.
    »In dein Zimmer.« Sie erreichten den Korridor im ersten Stock.
    »Warum denn?«
    »Wir müssen raus hier!«
    »Und wie?«
    »Der Baum vor deinem Fenster …«
    Grant riss die Augen auf. »Aber du hast mir verboten, je wieder den Baum runterzuklettern.«
    »Heute darfst du.«
    Sie rannte in Grants Zimmer und zum Fenster auf der rechten Seite. Draußen führte das Dach schräg nach unten zu einem Gewirr dicker knorriger Äste einer alte Eiche, die bereits in saftigem Frühlingsgrün stand. Es gab ein Baumhaus in der Eiche, und von der Plattform verlief ein Seil vierzig Meter weit bis in den Garten hinter dem Haus, wo es über einer Sandgrube endete. Vor ein paar Wochen hatte Grant herausgefunden, dass er aus dem Fenster steigen, das Dach hinunterrutschen und an den Ästen der Eiche bis zu seinem Baumhaus klettern konnte. Laurel hatte ihm diese gefährliche Klettertour verboten, doch jetzt blieb keine andere Wahl, als es noch einmal zu versuchen. Die einzige und bange Frage lautete, ob auch ein sechsjähriges Mädchen wie Beth das schaffte. Laurel kniete sich hin und schaute dem Mädchen in die Augen.
    »Grant klettert als Erster raus, okay? Danach du, und als Letzte ich.«
    »Aber das kann ich nicht, Mama«, sagte Beth mit zittriger Stimme. »Es ist viel zu hoch. Lass uns die Treppe nehmen.«
    »Das geht nicht, Kleines. Daddy könnte uns sehen.«
    »Was ist überhaupt los mit Dad?«, fragte Grant. »Warum benimmt er sich so komisch?«
    »Daddy ist krank, Schatz. Er weiß im Moment nicht, was er

Weitere Kostenlose Bücher