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12 Tante Dimity und der Wilde Westen (Aunt Dimity Goes West)

12 Tante Dimity und der Wilde Westen (Aunt Dimity Goes West)

Titel: 12 Tante Dimity und der Wilde Westen (Aunt Dimity Goes West) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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beruhigte sie mich. »Rufe und Lou sehen gebrechlich aus, aber sie sind zäh wie Leder.«
    »Das wundert mich nicht«, murmelte ich. »Wie die Pyms.«
    »Wenn ich Sie Lori nennen soll«, fuhr sie fort, »müssen Sie Rose zu mir sagen. Bitte, lassen Sie Ihre Sachen hier vorne und kommen Sie ins Wohnzimmer. Kann ich Ihnen etwas zu essen oder ein kaltes Getränk anbieten? Sie sehen aus, als seien Sie zu Fuß vom Aerie gekommen.«
    Wir legten unsere Taschen und Tüten auf einen Tisch in der Eingangshalle und folgten Rose in einen großen Raum mit hoher Decke, von dem aus man eine wunderbare Aussicht auf Lake Matula hatte. Während Toby erklärte, dass wir uns schon im Café gestärkt hatten, sah ich mir das Wohnzimmer genauer an.
    Und es gab eine Menge zu sehen. Das schlicht bemalte Äußere des Hauses verbarg ein Interieur, das eine Hommage an den klassischen viktorianischen Stil war. Die Tische waren aus schwerem Nussbaumholz, die Sofas und Stühle mit üppigen Stoffen bezogen, und die Wände waren mit einer Velourstapete bespannt, die aussah, als sei sie aus Seidenbrokat. Faltenreiche Vorhänge, die mit Kordeln zurückgebunden waren, hingen an den Fenstern, und das polierte Eichenparkett bedeckte ein Teppich mit einem wirbelnden Blumenmuster.
    Zierliche Etageren enthielten eine vorzügliche Sammlung von viktorianischen Erinnerungsstücken: mit Perlen versehene Damentaschen, lederne Babyschuhe, mit Stickereien verzierte Handschuhe, winzige Brillen, kobaltblaue Medizinflaschen, liebevoll gestaltete Valentinskarten und gefederte Fächer. Auf einem kleinen Tisch mit Marmorplatte neben dem Plaudersofa am Erkerfenster stand ein Stereoskop, und ein breiter Schal mit Paisleymuster lag dekorativ auf dem Stutzflügel. Toby und ich setzten uns auf das gefranste, flaschengrüne Samtsofa, Rose nahm uns gegenüber Platz, in einem Sessel mit niedrigen Lehnen und geflochtener Borte.
    »Sie haben ein wunderschönes Heim«, sagte ich.
    »Gefällt es Ihnen?«, fragte Rose und ließ den Blick wie beiläufig durch den Raum schweifen. »Früher war es mal ein Bordell.«
    »Ein Bordell …?« Ich kriegte vor Staunen den Mund nicht zu. »Direkt neben einer … Kirche?«
    »Am Anfang nicht, aber später schon.« Rose lehnte sich zurück und lächelte nonchalant. »Es ließ sich kaum vermeiden. Es gab eine Zeit in Bluebird, in der auf eine Schule oder Kirche etwa zwanzig Freudenhäuser kamen.«
    Meine Augenbrauen schnellten hoch. »Das ist eine Menge … Unterhaltung … für solch eine kleine Gemeinde.«
    »Damals war Bluebird keineswegs klein«, erklärte Rose. »1865 lebten fast elftausend Menschen in diesem Tal, und die große Mehrheit davon …« Sie brach ab und wandte sich Toby zu. »Verzeih mir, Toby, ich will dein nobles Geschlecht keineswegs in ein schlechtes Licht rücken, aber die Männer, oder doch die meisten von ihnen, die damals den größten Teil der Einwohner ausmachten, verlangten nach dieser Art der Unterhaltung, wie Sie es so behutsam nannten, Lori.«
    »Wie sonst?«, sagte ich trocken.
    »Viele von ihnen waren Junggesellen«, fuhr Rose fort, »manche taten auch nur so. Das Goldfieber ergriff Büroangestellte, Vertreter, Farmer und Fabrikarbeiter, nicht nur, weil sie sich schnellen Reichtum erhofften, sondern auch weil es ihnen die Chance bot, ihrem engen Leben zu entkommen – alles hinter sich zu lassen und alle Regeln zu vergessen.«
    »Und deshalb gab es so viele Bordelle«, warf ich ein.
    »Und Trinkhäuser und Spielcasinos. Aber mit der Zeit kamen auch respektable Frauen nach Bluebird und zähmten einige der wilden Tiere.« Rose machte eine Pause, senkte den Blick und lächelte verschämt. »Verzeihen Sie, ich rede zu viel. Das ist eine der Gefahren, wenn man die Frau eines Geistlichen und zugleich die Vorsitzende einer historischen Gesellschaft ist.«
    »Hören Sie bitte nicht auf!«, bat ich sie. »Es ist faszinierend. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Bluebird einst eine Metropole war.«
    Rose fuhr nur allzu gerne fort. »Zwischen 1865 und 1870 verdoppelte sich die Einwohnerzahl Bluebirds. Metzger, Bäcker, Friseure, Schmiede – jeder Beruf wurde gebraucht, um die Bedürfnisse der Mine und der Minenarbeiter zu befriedigen, und viele Geschäftsleute brachten ihre Familien mit.«
    »Familien, die Schulen und Kirchen brauchten«, ergänzte ich.
    »Und noch viel mehr«, sagte Rose. »In jenen Tagen gab es in Bluebird eine Oper, ein Theater, eine Zeitungsredaktion, zwei Hotels, fünf Pensionen, sieben Anwaltskanzleien,

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