12 - Tod Bei Vollmond
Glauben folgen.«
Abt Brogán öffnete den Mund, als wolle er etwas entgegnen, schwieg dann aber. Auf Liags Gesicht zeigte sich ein zynisches Lächeln.
»Ich bin hierhergekommen und habe Mißgunst entdeckt«, setzte Fidelma ihre Rede mit Nachdruck fort.
»Das wissen wir schon!« rief Seachlann. »Sind uns nicht unsere Töchter genommen worden? Schluß mit deiner Predigt, erklär uns lieber, wer an ihrem Tod die Schuld trägt.«
»Dazu komme ich noch«, versprach Fidelma geduldig.
»Alles zu seiner Zeit. Unsere Kultur und unsere Gesetze bilden die Meßlatte, an der sich das Böse beurteilen läßt. Das ist die Voraussetzung, um jene zu finden, die für alles Unheil verantwortlich sind. Seneca schrieb einmal, das schlimmste Übel ist jenes, vor dem Bösen zurückzuschrecken und vor ihm zu kapitulieren. Wir müssen uns dem Bösen jederzeit widersetzen und alles Leid auf uns nehmen, bevor wir uns ihm ergeben.«
Becc beugte sich vor und nickte. »Das ist wohl wahr, Fidelma, doch zeig uns, wo sich das Böse bei uns verbirgt.«
»Drei Verbrechen haben hier stattgefunden«, fuhr Fidelma fort. »Mord, Betrug und Diebstahl, dazu kommt noch ein Verstoß gegen die Regeln der Gastfreundschaft. Aus all diesen bösen Taten folgten weitere kleine Übertretungen unseres Gesetzes.«
Auf einmal herrschte erwartungsvolle Stille in der Halle. Fidelma sah in die auf sie gerichteten Gesichter. Die unterschiedlichsten Gefühle spiegelten sich darin wider: Erregung, die Jagdlust der Meute, die gleich von der Leine gelassen wird, Entsetzen, langsames Begreifen und manchmal auch Furcht.
»Ich will mit dem Verstoß gegen die Regeln der Gastfreundschaft anfangen. Das ist das geringste Vergehen, das gegen die Cinél na Áeda verübt wurde. Dennoch halten wir es nicht für unerheblich.«
Sie drehte sich zur Seite und blickte Bruder Dangila und seine Gefährten an, dann sah sie zu Bruder Solam hinüber. »Da ich die Beweisführung verständlicherweise in meiner Muttersprache antrete, beauftrage ich dich, Bruder Solam, meine Worte für die drei Mönche aus Aksum ins Griechische zu übersetzen.«
Der Klosterverwalter ging zu den drei Aksumitern hinüber und teilte ihnen den Wunsch der Richterin mit. Mit ernster Miene nickte Bruder Dangila zu Fidelma hinüber.
»Die drei Mönche aus dem fernen Land Aksum haben die Gastfreundschaft der Abtei mißbraucht …«
»Ich hatte also recht!« warf Brocc mit heiserer Stimme ein. »Das sind die Mörder. Das habe ich schon immer gesagt, ich fordere also …«
Fidelma sah ihn aufgebracht an. »Du wirst hier gar nichts fordern. Wenn du dich nicht still verhältst, werde ich dich wieder in die Zelle bringen lassen.«
Brocc schwieg schließlich.
»Die drei Mönche aus Aksum, als Fremde in unser Land gekommen, sind hier möglicherweise selbst fehlgeleitet worden und werden dieses Argument zu ihrer Verteidigung anführen«, fuhr Fidelma fort.
»Wir verstehen deinen Vorwurf nicht, Schwester. Bitte erklär ihn uns«, sagte nun Bruder Dangila, und Bruder Solam übersetzte es für die Leute in der Halle.
»Ihr seid hierhergekommen, um die Schriften in der Abtei des heiligen Finnbarr zu studieren, wie ihr uns gesagt habt. Stimmt das?«
»Das stimmt.«
»Abt Brogán hat euch einzig und allein in seiner Abtei Gastfreundschaft gewährt, damit ihr dort euren Studien nachgehen könnt. Doch ihr hattet außerdem einen anderen Grund, hier zu erscheinen, nicht wahr?«
Bruder Dangilas Augen wurden ein wenig schmaler, er erwiderte nichts.
»Ehe du Mönch wurdest, hast du in den Goldminen deiner Heimat gearbeitet, wie du mir selbst berichtet hast, Dangila. Das waren die Minen von Adulis, aus denen Gold in die ganze Welt geliefert wird. Schon dein Vater hat dort Gold geschürft, nicht wahr?«
Langsam nickte Bruder Dangila. »Das streite ich nicht ab. Ich habe tatsächlich in den Minen im Schatten des Ras Dashen gearbeitet, ehe ich der Bruderschaft beitrat.«
»Du hast mir erzählt, daß du dort mehr gelernt hast, als nur Gold- oder Kupferadern aufzuspüren«, fuhr Fidelma fort. »Du warst ein wahrer Meister auf deinem Gebiet, wußtest alles über die verschiedenen Bergbautechniken.«
Gleichgültig zuckte der Aksumiter mit den Schultern und schwieg.
»Uns ist bekannt, daß ihr von einem auf Grund gelaufenen Schiff vor unserer Küste gerettet und ins Kloster Molaga gebracht wurdet. Dort seid ihr eine Weile geblieben. Weißt du noch, wie du mir erklärtest, wieso ihr euch entschlossen habt, in die Abtei des
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