12 - Tod Bei Vollmond
fragte Fidelma.
»Sie hatte erfahren, daß Gabrán sich insgeheim mit Escrach traf. Und der hatte er anvertraut, daß er Beccnat nur deshalb nachstellte, weil er sich an deren Vater Lesren für das rächen wollte, was dieser seiner Mutter Fínmed einmal angetan hatte.«
»Von wem hat Beccnat das erfahren?«
»Von Escrach selbst, die darüber ganz entsetzt war. Und als Freundin wollte sie Beccnat warnen. Doch auch Escrach war in Gabrán verliebt und scheute sich deshalb, ihn öffentlich bloßzustellen oder ihn zu verlassen. Sie wollte einfach nur Beccnat vor ihm warnen. Beccnat trennte sich also von Gabrán und fand dann Trost bei dem Tanist.«
Nun richteten sich alle Augen wieder auf Accobrán.
»Ein Zeuge hat uns bereits berichtet, daß sich Accobrán und Beccnat trafen und sie sich wie Liebende verhielten. Gabrán selbst verhehlte seinen Haß auf den Tanist nicht, er verdächtigte ihn, eine Affäre mit Beccnat zu haben.«
Goll blickte sie gequält an. »Aber das bedeutet doch nicht, daß mein Sohn das Mädchen umgebracht hat. Brehon Aolú hat bestätigt, daß er es gar nicht getan haben konnte.«
»Dazu komme ich noch, Goll. Also«, sagte sie und richtete ihre Worte wieder an die in der Halle Versammelten, die ganz gebannt ihren Ausführungen folgten, »da haben wir das erste Motiv. Die schrecklichen Auseinandersetzungen zwischen Lesren und Fínmed, aus denen auch der Haß von Fínmeds Sohn auf Lesren und sein Wunsch nach Rache erwuchsen. Wenn er sich nicht direkt an Lesren rächen konnte, so doch an seiner Tochter Beccnat. Dort liegt die Ursache für alles, was dann geschah.«
Fidelmas Augen suchten in den Reihen der Zuhörer nach dem Gerbergehilfen. »Creoda, tritt bitte vor.«
Zögernd erhob sich der junge Mann.
»Du hast auch an dem Unterricht bei Liag teilgenommen.«
»Wie ich dir schon gesagt habe«, erwiderte Creoda nervös.
»Dann möchte ich noch einmal von dir hören, wer die anderen waren.«
»Beccnat und Gabrán, Escrach und Ballgel und manchmal auch Accobrán.«
»Und fand dieser Unterricht meist nachts statt?«
»Natürlich. Wie sollte man sonst die Sterne betrachten können?«
»Gut. Dann erinnere dich an die Vollmondnacht vor zwei Monaten.«
»Du meinst, als man Beccnats Leiche entdeckte?«
»Richtig. Wart ihr in jener Nacht bei Liag?«
»Ja.«
»Und wer war dabei?«
»Nur Escrach, Ballgel und ich.«
»Gab es danach noch weitere nächtliche Treffen bei Liag?«
»Wenige.«
»Und entspricht es den Tatsachen, daß in diesen Unterrichtsstunden nach Beccnats Tod Escrach und Gabrán ziemlich vertraut miteinander umgingen und sich damit auch Bébháils Aussage bestätigt?«
Creoda bejahte das, und Fidelma sprach weiter: »Ich denke, wir können davon ausgehen, daß Escrach und Gabrán eng befreundet waren. Bis Gabrán herausfand, daß er – wie er es nannte – von Escrach an Beccnat verraten worden war. Ob er eine Weile gebraucht hat, das festzustellen, oder ob Beccnat es ihm einfach gesagt hat, ehe sie starb, wird er uns erklären müssen. Ich glaube, er wählte bewußt die nächste Vollmondnacht aus, um Escrach am Steinkreis zu treffen, ganz in der Nähe der Stelle, wo er Beccnat ermordet hatte. Und dort metzelte er sie genauso grausam nieder.«
Fidelma blickte in das wütende bleiche Gesicht Gabráns, dessen haßerfüllte Augen sie zu durchbohren schienen.
»Gabrán trug seinen Haß schon eine Weile mit sich herum, und ich glaube, zu jener Zeit überwältigte ihn der Haß derart, daß er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Liags Geschichten über die Macht des Mondes und die Macht des Wissens beherrschten ihn vollkommen. Sein Verstand war durch den Mord an Beccnat getrübt, und er wartete nun auf den nächsten Vollmond, um seinen zweiten Mord zu begehen.«
»Und der dritte Mord?« fragte Becc, den die Enthüllungen ziemlich aus der Fassung gebracht hatten. »Was geschah mit Ballgel? Du willst doch nicht etwa sagen, daß er auch mit Ballgel eine Affäre hatte?«
»Auf keinen Fall!« rief jetzt Sirin, der Koch. »Das hätte ich gewußt.«
»Der Tod der armen Ballgel. Auch für diesen Mord in der nächsten Vollmondnacht hatte er ein Motiv. Ballgel war die Dritte im Bunde, die Liag besuchte. Vielleicht hat Gabrán vermutet, Escrach habe nicht nur Beccnat alles erzählt, sondern auch Ballgel. Creoda hat uns gesagt, daß die Mädchen miteinander durch dick und dünn gingen und sich alle Geheimnisse anvertrauten. Gabrán mußte also sichergehen, daß nichts davon nach
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