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12 - Tod Bei Vollmond

12 - Tod Bei Vollmond

Titel: 12 - Tod Bei Vollmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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jeder Schuld ist.«
    »Du behauptest also, Gabrán hätte deine Tochter auf dem Gewissen«, redete nun Fidelma weiter. »Meinst du, er hat die anderen beiden Mädchen auch getötet?«
    Lesren schob trotzig das Kinn vor. »Ich behaupte, daß er Beccnat umgebracht hat. Mehr nicht. Immer wieder habe ich sie vor ihm und seiner Diebsfamilie gewarnt.«
    »Das sind harte Worte«, warf ihm Fidelma vor. »Ich warne dich, andere als Diebe zu bezichtigen. Du kennst das Gesetz und die Strafe, die jeden erwartet, der falsch über andere redet. Damit könntest du das Anrecht auf deinen Sühnepreis einbüßen, súdaire. « Sie betonte seinen Titel ein wenig, um ihn daran zu erinnern, daß er seine Position in der Gemeinde aufs Spiel setzte.
    Eadulf war bekannt, daß jeder in den fünf Königreichen von Éireann, ob er nun von hohem oder geringem Stand war, einen Sühnepreis besaß. Der Großkönig war dreiundsechzig Kühe wert, während die Könige der Provinzen, wie Fidelmas Bruder Colgú, dem Wert von achtundvierzig Kühen entsprachen. Eadulf war stolz darauf, daß er inzwischen den Sühnepreis der meisten Menschen einzuschätzen wußte. Dem Gerber zum Beispiel maß er vier Kühe zu. Die Kuh wiederum war die Grundeinheit der irischen Währung. Ein séd entsprach einer Kuh, ein cumal dem Wert von drei Kühen. Dann gab es noch kleinere Silbermünzen: screpall oder sicil.
    Anfangs hatte Eadulf das System des Sühnepreises nicht durchschauen können, zumal ein Vergleich mit dem Ständesystem seines Landes nutzlos war. Bald wurde ihm klar, daß das Bewertungsgefüge gerecht war und mit den Grundsätzen für die Bestrafung von Verbrechen zu tun hatte. Die Rechtsprechung in Irland beruhte auf Vergütung und Wiedergutmachung. Damit der Bewertungsmaßstab im ganzen Königreich gleich war, schrieb man jeder Person einen »Sühnepreis« zu, der sich allein nach deren ausgeübter Tätigkeit richtete, nicht nach dem, was seine Eltern waren. Bei Vergehen berechnete sich die Geldstrafe nach dem Sühnepreis des Geschädigten. Brachte zum Beispiel ein Mann einen Bauhandwerksmeister um, so mußte er dessen Familie eine Entschädigung in Höhe von zwanzig Kühen und dazu noch eine Geldstrafe an das Gericht zahlen. Konnte er das Geld nicht aufbringen und lag sein eigener Sühnepreis unter dem Wert von zwanzig Kühen, verlor er selbigen und außerdem alle zivilen Rechte. Er mußte arbeiten, um die Familie zu entschädigen und das Gericht zu bezahlen. Er wurde ein »Unfreier«, ein Mann ohne jede Rechte – ein fuidhir.
    Man unterschied zwei Arten von Unfreien, je nach Schweregrad des Verbrechens. Ein daer-fuidhir besaß keine Rechte und durfte keine Waffen tragen. Ein saer-fuidhir durfte weiterhin seinen Acker bestellen oder seinen Beruf ausüben – innerhalb festgelegter Grenzen. Er mußte Steuern zahlen. Und falls er am Ende seines Lebens die erforderliche Entschädigungssumme nicht aufgebracht hatte und nicht wieder in die Gesellschaft aufgenommen worden war, ging die Strafe nicht auf seine Frau oder seine Kinder über. Jeder Mensch ist nur für seine eigenen Schulden haftbar, sagten die Brehons.
    Als Fremder in Éireann wurde Eadulf vor dem Gesetz als »grauer Hund«, cú glas , behandelt. Dieser Begriff bezog sich auf jemanden, der aus einem Land auf der anderen Seite des Meeres stammte. Eadulf war nun nicht mehr Abgesandter des Erzbischofs von Canterbury und hatte damit seinen ehemaligen Rang aufgegeben. Er besaß keinen Sühnepreis. Selbst die Ehe mit Fidelma hätte ihm den nicht eingebracht, wenn nicht Colgú und Fidelmas engste Verwandte diese Verbindung anerkannt und bestätigt hätten. So belief sich sein Sühnewert auf die Hälfte von dem seiner Frau. Doch für einen Mann seiner Herkunft gab es einige lästige und fast beleidigende Einschränkungen. Er durfte ohne Fidelmas Erlaubnis keine Verträge schließen. Ebenso mußte sie für ihn alle Schulden oder Strafgelder begleichen. Vor dem Gesetz war einzig Fidelma verantwortlich für die Erziehung ihres Sohnes Alchú. Auch wenn Eadulf von Colgú wie ein Freund und Gleichgestellter behandelt wurde, benachteiligte ihn sein Stand als »grauer Hund« sehr.
    Eadulf war außerdem sehr erstaunt, daß Fidelmas Volk einige Vergehen, die in seinem Land nicht unter Strafe standen, scharf ahndete – wenn man Bußgelder und den Verlust von Rechten als Strafe bezeichnen konnte. In der sächsischen Gesellschaft wurde die ganze Breite an gesellschaftlichen und politischen Verbrechen mit den als gerecht

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