12 - Tod Bei Vollmond
entschieden hatte, dies Gabrán vor ihrer Ermordung nicht mehr sagen können.«
»Lesrens Frau bestätigte seine Version«, murmelte Eadulf.
»Dieser Kerl ist nicht nur ein Dummkopf, er ist auch bösartig«, erwiderte Becc. »Ich weiß wirklich nicht, warum sich seine Frau all das gefallen läßt, was er ihr antut. Lesren kann Gabrán doch nicht des Mordes beschuldigen, nachdem Accobrán gegenteilige Beweise geliefert hat. Und da sind außerdem die anderen Morde. Brocc hat bisher alle, nur Lesren nicht, davon überzeugt, daß die Fremden in der Abtei dafür verantwortlich sind.«
Fidelma holte tief Luft. »Hier gehen so viel Angst und Mißtrauen um, Becc. Es ist, als blicke man in einen undurchdringlichen Nebel voller taumelnder dunkler Schatten. Doch der Tag ist noch lang – wir können eine Reihe anderer Leute aufsuchen. Eadulf ist inzwischen auch mit dem Essen fertig. So laßt uns aufbrechen.«
Eadulf schlang eilig den letzten Bissen hinunter und sprang auf. Er bemerkte nicht, daß Fidelma ihn anlächelte.
»Das ist Seachlanns Mühle.«
Fidelma und Eadulf waren mit dem jungen Tanist ein zweites Mal einen schmalen Pfad entlanggegangen, der sie zum Ufer führte. Die Stelle ähnelte der Lichtung, auf der sich Lesrens Hütte befand, nur standen hier weniger Bäume. Eine im Grundriß runde Wassermühle mit einem riesigen Wasserrad wurde von der Kraft des Flusses in Gang gehalten. Unweit der Mühle entdeckten sie neben dem dahinschnellenden Wasser einen Mann an einem kleinen Feuer. Er war in mittlerem Alter, stämmig und muskulös und wirkte mit dem zerzausten Bart und den wilden Haaren ziemlich ungepflegt. Er hielt einen Korb über die Flammen und drehte und wendete dessen Inhalt.
Fidelma bemerkte, daß Eadulf fragend die Stirn runzelte, und kam ihm zu Hilfe.
»Der Mann trocknet die graddan , die Körner, in einem criather , das ist der Korb, den er über das Feuer hält«, erklärte sie ihm. »Das trockene Korn bringt er dann zur Mühle. Behandelt man in deinem Land das Getreide ähnlich?«
»Nicht so, wie ihr es macht. Auf diese Weise kann man doch nur geringe Mengen trocknen, nicht wahr?«
»Oh, es gibt auch riesige Öfen, sogenannte Darren, wo viel Getreide getrocknet werden kann. Diese Methode hier ist nur bei kleinen Mengen angebracht.«
»Und warum fängt der Korb kein Feuer?« fragte Eadulf.
»Nun, der Boden ist aus Knochen gemacht, aus den Knochen eines Wals. Die können zwar ansengen, aber nicht brennen.«
Der Mann am Feuer hatte sie gehört, stellte den Korb beiseite und erhob sich langsam. Sein Blick war finster und unfreundlich.
Accobrán drehte sich zu Fidelma um und sagte leise: »Das ist Brocc, der Bruder des Müllers, unser Unruhestifter.«
»Was willst du hier, Accobrán?« erscholl Broccs rauhe Stimme, ehe sie sich ihm auf fünf bis sechs Meter genähert hatten. Er humpelte auf sie zu. Fidelma erinnerte sich, daß ihn Beccs Pfeil am Oberschenkel verwundet hatte. »Du hast keinen Grund, mich mit deiner Gegenwart zu belästigen, es sei denn, du möchtest mich wieder gefangennehmen.«
Unberührt von dem schroffen Auftreten des Mannes, lächelte der Tanist.
»Ich werde dich nicht belästigen, Brocc. Es sei denn, du machst wieder Ärger. Wir wollen deinen Bruder sprechen, den Müller Seachlann.«
Inzwischen war ein anderer Mann aus der Mühle getreten. Unter seiner Müllerschürze verbarg sich eine leicht rundliche Figur. Er war offensichtlich älter als Brocc und nicht so kräftig wie dieser.
»Was wünscht ihr von mir?« rief er laut von der Tür her und nahm Fidelma und Eadulf scharf ins Visier. »Geistlicher Besuch ist das letzte, was ich brauche, wo die Mörder meiner Tochter im Kloster Unterschlupf fanden.«
Accobrán nannte Fidelmas und Eadulfs Namen und Herkunft. Brocc erwiderte darauf sarkastisch: »Also du bist die dálaigh , die unser Fürst aus Cashel geholt hat? Eine Ordensschwester! Dann steht das Kloster wohl unter deinem Schutz?«
Fidelma fuhr ihn scharf an. »Ich bin eine dálaigh , und ich werde Recht und Gesetz hochhalten, ganz gleich, wer es verletzt hat. Wenn dir das nicht genügt, Brocc, so sollte dir wenigstens bewußt sein, daß ich König Colgús Schwester bin. Ich möchte dich auch darauf hinweisen, daß man künftig von dir ein friedfertiges Verhalten erwartet.«
Brocc öffnete schon den Mund, als wollte er etwas darauf erwidern, doch dann sah er ihre eiskalten Augen, zuckte mit den Schultern und schwieg.
»Was willst du von uns, Lady?« fragte der
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